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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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    „Nicht aufhören“, stöhnte Silvio und ließ sich in die nach Veilchen duftenden, frischen Kissen fallen, die ihn federnd auffingen. Marcel hatte eben noch Silvios Hemd langsam aufgeknöpft. Mit einer einzelnen Rose fuhr er sanft über die jugendlich zarte Haut seiner Brust, so dass die samtene Weichheit der Blüten sich mit dem Biss der Dornen abwechselte und hauchfeine, rosige Striemen auf seinem Oberkörper hinterließ. Der duftenden Spur der Blüten auf der jungen Haut folgte Marcel mit seinen Lippen und bedeckte mit zärtlichen kleinen Küssen den Körper des Geliebten vom Hals hinunter bis den Beinkleidern, die er nun ebenso langsam hinunterzog, um seine Liebkosungen dort fortzusetzen, wo sie bereits sehnsüchtig erwartet wurden. Silvio erschauerte. Eine silberne Kaminuhr tickte einen leisen Rhythmus dazu, nur unterbrochen von den hingebungsvollen Seufzern und den keuchenden Atemzügen der beiden Liebenden. Der kalte, stoßweise Atem der beiden Vampire hüllte den Raum mit den schweren Vorhängen in die Atmosphäre einer nebligen Novembernacht. Und während die letzten Kerzendochte in den Leuchtern erloschen, erglühten die beiden schimmernden, geschmeidigen Körper bei jeder Bewegung in einem bläulichen Licht ähnlich einer Gasflamme in der Nacht, um dann ebenfalls zu erlöschen und mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Kurz bevor der Morgen graute, fielen sie beide eng umschlungen in einen erlösenden, todesähnlichen Schlummer. Marcels Arm war besitzergreifend um die Hüfte seines Gefährten geschlungen. Er war stolz auf Silvio, sein Geschöpf, sein Freund, sein Ein und Alles.
    Was Marcel bei Silvios Rettung und Wandlung nicht bedacht hatte, war ein weiteres Geheimnis der Vampire, welches sein Erschaffer, der Marquis de Montespan ihm noch nicht verraten hatte: Ohne den Ring mit dem Liliensiegel würde Silvio immer nur ein Gespiele bleiben, ohne die mentalen Kräfte, die mit zunehmendem Alter als Untoter wachsende Macht, ohne die entsprechende Tarnung während seines notwendigen Schlafes. Er war leicht aufzuspüren und leicht zu töten für einen der älteren Untoten.
    Woher kamen diese Siegelringe? Wer schuf sie?
    Diese Fragen hatte der junge Chevalier nie gestellt. Das wäre auch nicht so einfach gewesen: Er hätte zwar bei einem Goldschmied eine Kopie seines eigenen Ringes herstellen lassen können, doch er verfügte nicht über die Kenntnisse, dieses Siegel zu weihen. So, wie sich der Fluch des Blutes bei der Wandlung duplizierte, so wurde auch die Macht des Siegels geteilt. Aber davon wussten die beiden jungen Männer nichts.

Sie waren wieder zuhause, oder – besser gesagt – Marcel Saint-Jacques war zuhause, obwohl er sich geschworen hatte, nie wieder hierher zurück zu kehren. In Frankreich, im Bezirk Châtellerault in dem heruntergekommenen Haus seines Vaters, das die Wirren der französischen Revolution unbeschadet überstanden und nach dem Tod seiner rachsüchtigen Halbschwester Elise lange Zeit leergestanden hatte. Natürlich war alles Wertvolle während der Aufstände und auch danach stückweise entwendet worden. Selbst die Türen schienen noch begehrtes Diebesgut gewesen zu sein oder hingen bei ihrer Ankunft nur noch halb in den Angeln. Die einst mit Gemälden und Wandteppichen übersäten Wände – kahl und leer. Sogar einige der kostbaren Seidentapeten waren herunter gerissen worden. Nur einige weniger gut erhaltene Möbel hatten die Plünderer zurückgelassen. Die waren ihnen wohl zu schwer gewesen. Aber selbst die hatte man immer noch als Feuerholz gebrauchen können, so dass nur noch lose Bretter vorhanden waren. Das Innere des gesamten Anwesens glich eher einer Ruine als einem ehrwürdigen Herrensitz, abgesehen von den ungebetenen Gästen und dem fahrenden Volk, das in den letzten Jahren hier übernachtet hatte. Die einst weiß getünchte Fassade und die meisten Fenster waren vom Efeu erobert und in ein dichtes, grünes Kleid gehüllt worden, welches das Tageslicht aussperrte. Ein erbärmlicher Anblick erwartete die beiden jungen Männer am Ziel ihrer Reise, das sie mitten in der Nacht erreichten. Bis hierher waren sie viele Tage von Italien aus geritten. Unerkannt, in der Dunkelheit, der sie angehörten wie die Wölfe, Eulen und Nachtfalter. Unstete Jäger waren sie, genau wie dieses Getier, auch wenn sie sich äußerlich wie noble Herrschaften zu kleiden wussten.
    Für einen Augenblick hatte sich Marcels untotes Herz zusammengekrampft, als er an die glücklichen vergangenen

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