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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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abschätzend musterten. Ein schmaler, wohlgeformter Mund, der einen gewissen Zug an Grausamkeit in sich barg. Ein durchtrainierter Körper, der ebenso wie das Antlitz alterslos wirkte. Zweifellos ein attraktiver Mann mit einem unglaublichen Charisma. Aber was sollte er diesem nun antworten? Dann fiel ihm jene Szene im Palais des Saint-Jacques wieder ein.
    „Monsieur, ich gebe zu, ich verfüge über keinerlei Erfahrung, weder mit dem weiblichen Geschlecht noch mit dem unsrigen. Doch ich glaube, Ihr solltet Euer Anliegen besser mit dem Chevalier Saint-Jacques besprechen.“
    Julien erstarrte in dem Augenblick, in dem Clement den Namen aussprach. Sein Teint schien noch blasser und durchscheinender zu werden, als es eh schon der Fall war. Er atmete tief durch „Ihr kennt Marcel? Ist er etwa hier in Paris?“, presste er dann durch seine Lippen hervor. Seine Augen schienen zu glühen.
    Clement war erschrocken. Hatte er etwas Falsches gesagt? Waren die beiden miteinander verwandt oder gar Erzfeinde, die noch eine Rechnung miteinander offen hatten? Der Anblick des Marquis ließ so etwas fast vermuten.
    Der Junge schüttelte den Kopf. „Nein, er ist vor einiger Zeit wieder abgereist. Zurück nach Châtellerault.“
    „War er allein?“, wollte der Marquis nun mit eindringlicher Stimme wissen.
    Wieder verneinte Clement. „Sein Cousin aus Italien hat ihn begleitet. Die beiden sind wohl sehr … intime Freunde.“
    „Cousin“, schnaubte der Marquis verächtlich. Am liebsten hätte er dieses Wort ausgespuckt. Mühsam riss er sich zusammen, um in dieser illustren Gesellschaft nicht aus dem Rahmen zu fallen. Er musste hier heraus! „Kommt mit!“, forderte er Clement auf und zerrte den armen Jungen fast aus dem Raum.
    „Aber … meine Eltern. Wo wollt Ihr denn mit mir hin?“
    „Keine Sorge, mein Goldjunge. Dir wird nichts geschehen … zumindest nichts, was du nicht willst.“
    Mit dieser Aussage konnte Clement nicht viel anfangen, doch er fügte sich der groben Aufforderung mit ängstlich klopfendem Herzen.
    Draußen winkte der Marquis seine Kutsche heran und schubste den Entführten unsanft hinein. Er selbst nahm ihm gegenüber Platz, als die Pferde antrabten. „Beschreibt mir diesen Cousin!“, verlangte er. Warum wollte er sich noch so quälen lassen? Es konnte sich doch nur um diesen Schiffsjungen handeln!
    „Er hieß Silvio, glaube ich …“
    Ich wusste es. Townsends Meuchelmörder hat gepfuscht, oder der Engländer hatte ihn belogen!
    „Weiter!“
    „Na ja, er ist … er ist sehr hübsch, wenn Ihr das wissen wollt. Er hat Augen wie ein klarer Nachthimmel und pechschwarzes Haar.“
    Sehr hübsch?
    Für sein Ermessen hatte der Junge recht passabel ausgesehen unter all dem Schmutz, als er ihn das letzte Mal auf dem Schiff vor Augen hatte. Als er sich verbotenerweise in Marcels Gedankenwelt eingeschlichen hatte!
    Es sei denn … Hatte Marcel seinen Liebhaber etwa gewandelt, ohne alle Geheimnisse ihrer Zukunft zu kennen? Wie töricht von ihm.
    „Ich sprecht von diesem Cousin als hätte er Euer Herz erobert“, bemerkte der Marquis mit einem bösen Lächeln.
    Clement wurde puterrot. Er fühlte sich ertappt.
    „Ihr braucht Euch deshalb nicht zu schämen, mein lieber Devereaux.“
    „Auch der Chevalier ist ausgesprochen hübsch“, korrigierte der Junge jetzt verlegen.
    Der Marquis nickte schweigend. Seine Vermutung schien sich zu bestätigen.
    „Dann hättet ihr zwischen den beiden wohl keine Wahl getroffen?“, spottete der Aristokrat und verschlang den Jungen gegenüber fast mit seinem Blick.
    „Es … es wäre mir sicherlich schwer gefallen!“ Clement fühlte sich völlig überrumpelt.
    Was für ein süßes Eingeständnis seiner ganz persönlichen Neigung! Dabei verrieten der unstete Blick unter seinen zitternden Wimpern und das leichte Beben des sensiblen Mundes dem Marquis schon mehr als genug.
    Der Marquis konnte sich kaum gegen soviel naive Unschuld wehren, die nur dazu da schien, ihm Vergnügen zu bereiten. Hatte er nicht genauso empfunden, damals, als er Marcel das erste Mal in jener Spelunke getroffen hatte, noch vor der französischen Revolution? Wollte das Schicksal sich nun wiederholen? Ihn erneut in Versuchung führen, einen neuen „Erlöser“ zu schaffen?
    Er schüttelte den Kopf und blickte stumm aus dem Fenster der fahrenden Kutsche. Nein, niemand kam seinem Marcel gleich. Er würde diesen Clement auf keinen Fall wandeln. Aber ihn vielleicht kosten? Gegen dieses natürliche Bedürfnis eines

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