Im Bann der Lilie (Complete Edition)
standen die schwarzen Haare und tiefblauen Augen.
„Du kannst gehen, wohin du willst, aber ich lasse dich nicht los“, flüsterte der Chevalier zärtlich in sein Ohr. Sein kühler, leicht erregter Atem streifte dabei Silvios zornig erhitzte Wangen, wandelte Zorn in Verlangen, während seine Hände begehrlich über den bloßen Oberkörper seines Freundes glitten. Eine einzelne Träne löste sich aus nachtblauen Augen und floss langsam über die Wange, bis Marcel sie wegküssen konnte. Silvio lehnte sich sehnsüchtig an seinen Freund, dessen seidige Bräune sich deutlich von seiner eigenen Hautfarbe abhob. Sein rasender Puls verbot ihm jede weitere Bewegung. Marcels Hände ließen Eissplitter und Funken gleichzeitig über seine bloße Haut tanzen. Er überließ sich den Liebkosungen bis zu jenem Punkt, an dem er sich ganz aufgeben MUSSTE, um dieser unbändigen Lust Herr zu werden.
Im oberen Stockwerk erwachte Marie Devereaux mitten in der Nacht, weil sie einen unbändigen Durst verspürte. Sie erhob sich vom Bett und blickte an sich herunter, um festzustellen, dass sie immer noch vollständig bekleidet war. Wo befand sie sich hier? Richtig, im Haus des hübschen Chevalier Saint-Jacques. Langsam kehrte die Erinnerung zurück, an den misslungenen Opernabend, den prickelnden Champagner. Oh je, was mochten wohl ihre Eltern von ihr denken, wenn sie nach Hause kam? Womöglich, dass etwas ganz anderes geschehen war? Bei diesem unsittlichen Gedanken musste sie wieder kichern. Sie schlug die Hand vor den Mund, als sie bemerkte, wie ihr Bruder sich im Schlaf regte. Keinen Mucks mehr! Vorsichtig schlich sie aus dem Zimmer und im Dämmerlicht die Treppe hinunter. Wo mochte die Küche sein? Sie schaute sich suchend um. Ein schwacher Lichtschein unter einer der Türen im Erdgeschoss zog sie wie magisch an. Auf Zehenspitzen schlich sie näher, legte vorsichtig ihr Ohr an die Tür. Ein Stöhnen und Seufzen war dahinter zu hören. Nun war ihre Neugierde erst recht geweckt. Sie beugte sich vor, um einen Blick durch das Schlüsselloch zu erhaschen. Was sie sah, waren zwei geschmeidige Körper, in erregender Wildheit ineinander verschlungen.
Marie spürte, wie sie von diesem Anblick mitgerissen wurde. Je länger sie zusah – obwohl sie genau wusste, dass es falsch war – desto enger kam ihr die Schnürung ihres Mieders vor. Sie spürte beschämt, wie die Erregung auf sie übergriff. Dennoch konnte sie sich nicht losreißen.
Silvio kniete derweil über Marcel gebeugt auf dem Bett, drückte lachend dessen Arme an den beiden Handgelenken fest in die Kissen, so dass sein Freund hilflos dazuliegen schien. Doch der lachte auch. Für einen winzigen Moment hielt Silvio inne, als hätte er den Lauscher an der Wand bemerkt. Er wandte den Kopf zur Türe hin, und es schien, als würden seine Mitternachtsaugen Marie direkt ansehen. Ein triumphierendes Lächeln flog über sein knabenhaftes Gesicht, das wohl besagen sollte „Du bekommst ihn nicht!“. Einen Sekundenbruchteil glaubte sie, dabei die Fangzähne eines Raubtieres in seinem Munde zu erkennen. Doch das konnte nicht sein! Sie schalt sich innerlich eine Närrin, die zuviel Champagner getrunken hatte. Derweil wandte sich Silvio wieder Marcel zu, der immer noch unter ihm lag, schmiegte sich an ihn und presste seine Lippen auf die seinen, küsste ihn mit einer Ekstase, dass dieser sich unter ihm aufbäumte.
„Na na, Schwesterchen, wie untugendhaft von dir!“, ertönte Clements Flüstern hinter seiner Schwester, die errötend und völlig durcheinander hochfuhr. Clement bedachte sie mit einem spöttischen Blick. Er war ihr gefolgt, nachdem er kurz aufgewacht war und bemerkt hatte, dass er allein im Raum war. Nach einem Blick auf ihr bebendes Dekolleté warf er nun selbst einen Blick durch das Schlüsselloch, bevor er sich wieder erhob und Marie am Arm von der Türe fortzog.
„So, wie es aussieht, würde der Chevalier vielleicht den Tisch, aber niemals sein Bett mit dir teilen“, raunte er ihr dabei zu.
„Lass mich los, du Scheusal“, wehrte sich die Schwester und rannte zurück in den ersten Stock. Clement folgte ihr besonnen. Sie war gerade dabei, das zu enge Mieder zu lockern, als er den Raum betrat. Noch immer ging ihr Atem schneller als gewöhnlich. Clement spürte die gleiche Enge ganz woanders. Um sich das nicht anmerken zu lassen, ließ sich auf das Bett fallen, zog die Decke halb über sich und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„Da hätte ich ja wohl bessere Chancen
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