Im Bann der Lilie (Complete Edition)
als Zeichen seiner Eroberung.
Als Clement am nächsten Morgen sein Elternhaus betrat, wäre er am liebsten an seiner Familie, die gerade am Frühstückstisch saß, vorbeigeschlichen. Doch das war schwerlich möglich. Also begrüßte er seine Eltern und seine Schwester, wie es einem höflichen Sohn und Bruder geziemte. Doch in seinen Augen lag ein verräterisch fieberhafter Glanz, den er nicht verbergen konnte. Seine Mutter äußerte die Befürchtung, dass er möglicherweise krank werde, als sein Vater seine Frau scherzhaft anstieß.
„Ich bin sicher, er hat sich gestern wegen eines Mädchens vom Ball davon geschlichen und hat die Zeit vergessen. Schau ihn dir doch an, er ist total übermüdet.“
Clement wagte keinen Widerspruch. Sein Vater hatte ein Einsehen und ließ ihn auf sein Zimmer gehen, wo er erst einmal ausschlafen sollte.
Auch Juliens Körper musste ruhen – tagsüber. In seinen Gedanken zog noch einmal die letzte Nacht vorüber. Das und noch viel mehr hätte er gern mit Marcel durchlebt. Aber was nicht ist, konnte ja noch werden. Ein listiger Plan reifte in seinem Kopf. Wie alle Adeligen – ob nun Vampir oder nicht – brauchen sie beide Geld, um gut zu leben. Dieses Haus hier hatte der Konsul von Frankreich ihm für seine treuen Dienste vermacht, aber das kostete Unterhalt, ganz zu schweigen von der edlen Garderobe, die man in Paris zu tragen pflegte. Marcel würde es auf dem Lande nicht viel anders ergehen. Irgendwann würde auch sein Vermögen zur Neige gehen. Vielleicht käme er dann zu ihm, seinem alten Freund und Mentor? Er beschloss, am kommenden Abend der Familie Devereaux seine Aufwartung zu machen.
Als am frühen Abend der Diener dem Hausherren den Besuch des Marquis de Montespan ankündigte, war dieser ebenso erstaunt wie erfreut. Er ließ den Gast in sein Arbeitszimmer bitten und bot ihm etwas zu Trinken an. Der Aristokrat ließ bereits an seiner Kleidung erkennen, dass er nicht als Bittsteller kam. Einige Höflichkeitsfloskeln wurden gewechselt.
„Was führt Euch nun zu mir, Marquis? Geschäfte?“ Der Bankier konnte seine Neugier kaum verbergen.
Ein süffisantes Lächeln war die Antwort. „So könnte man es auch nennen.“
Um den Familienvater nicht zu sehr auf die Folter zu spannen, fuhr de Montespan fort: „Genau gesagt, es geht um Eure Tochter, Monsieur. Euer Sohn Clement erzählte mir auf dem gestrigen Ball, wie sehr Ihr sich für sie eine – sagen wir – adäquate Verbindung wünscht.“
„Und Ihr habt da einen Vorschlag für mich? Vielleicht wäre einer Eurer Freunde …?“
Fast enttäuscht bemerkte Devereaux, wie der Marquis abwinkte. „Nicht doch, es geht um meine Person. Selbstverständlich werde ich diese Ehe mit dem nötigen Respekt eingehen und nach, sagen wir einmal, einem Jahr eine gütliche Scheidung beantragen. Eure Tochter würde selbstverständlich den Titel einbehalten und ich eine entsprechende jährliche Vergütung für die darauffolgenden zwanzig Jahre.“
Julien konnte schlecht einen Handel auf Lebenszeit vorschlagen als Unsterblicher. Also begnügte er sich mit dieser für ihn relativ kurzen Zeitspanne.
Eine Art Lizenzhandel, fuhr es dem alten Bankier durch den Kopf. Er konnte eben nicht umhin, alles und jeden in einen Gegenwert umzumünzen, selbst seine eigene Tochter. Er zögerte scheinbar, obwohl dieses Angebot doch genau das war, worauf er jahrelang hingearbeitet hatte. Und nun flatterte es ihm sozusagen ins Haus. Wo war da der Haken?
Kaum hatte er an diesen gedacht, offenbarte der Adelige schon seine Beweggründe. „Natürlich möchte ich noch eine kleine Bedingung daran knüpfen.“
„Welche?“
„Ihnen ist doch der junge Saint-Jacques bekannt. Ich möchte nicht, dass er …“ Er überlegte kurz, um die passenden Worte zu finden. „... mit seinen geschäftlichen Plänen Erfolg hat.“
Der arme Junge. Wodurch hat er sich einen so mächtigen Feind geschaffen? Der Chevalier tat dem Geschäftsmann jedoch nur vorübergehend leid, denn er wollte und konnte das Angebot des Marquis einfach nicht ausschlagen.
„Er soll also keine Käufer für die Pferde finden?“
Der Adelige nickte bestätigend. „Wenn Ihr Eure Kunden gut beraten wollt …“
Der Bankier nahm einen tiefen Atemzug. Fast konnte man hören, wie die Summen vor seinem geistigen Auge vorbeizogen, mit denen er in Zukunft zu rechnen hatte. „Nun gut, ich werde alles Weitere mit meinem Anwalt besprechen und einen Ehevertrag aufsetzen lassen.“
Der Marquis deutete eine
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