Im Bann der Ringe (German Edition)
diese beiden Herzen vereint haben, wird seine große Liebe sterben. Mal langsamer, mal schneller. Mal früher, mal später. Fakt ist aber, dass sie sterben wird.“
Ric sah seinen Vater fassungslos an. In seinem Kopf arbeitete es. Er dachte an seine Mutter.
„Aber was war mit Mom? Ist sie auch deswegen … wegen dem Fluch …?“
Als Noah darauf nichts Gegenteiliges erwiderte und nur langsam mit dem Kopf nickte, musste Ric erkennen, dass er recht gehabt hatte.
„Wie konntest du sie dann heiraten? Ein Kind mit ihr haben? Wie konntest du ihr das antun?“, brach es verzweifelt aus ihm hervor. Sein Dad hatte seine Mutter ins Verderben, in den Tod geführt? Konnte man das so sagen? Durfte man das so sagen?
Noah antwortete darauf nichts. Er verstand die Verzweiflung seines Sohnes. Sehr gut sogar. Hatte er nicht selbst mit sich gerungen, war seiner Frau aus dem Weg gegangen, hatte versucht, sich von ihr fernzuhalten? Ja, so wahr Gott sein Zeuge war – das hatte er versucht. Aber Shannon hatte nicht aufgegeben, sie hatte um ihn gekämpft. Die letzte Möglichkeit, ihr die Augen zu öffnen und sie in Sicherheit zu bringen war nur, ihr die Wahrheit zu sagen. Die ganze Wahrheit.
Geduldig hatte sie ihm zugehört, weder war sie verwundert, noch erschrocken gewesen. Und schon gar nicht lief sie fort. Im Gegenteil – sie gestand ihm, ihr Herz bereits an ihn verloren zu haben. Sie würde, dem Fluch nach, sowieso sterben. Aber ganz bestimmt nicht, ohne eine bis dahin glückliche und erfüllte Zeit mit ihm zusammen zu erleben! Solange sie eben dauern würde. Gegen diese Worte, gegen den Willen seiner Liebe, kam er nicht an. Shannon hatte sich entschieden! Und als er das begriffen hatte, ließ Noah sich auf seine große Liebe ein. Er hatte immer wieder gehofft, dass der Fluch vielleicht bereits gebrochen wäre. Dass es ihn vielleicht gar nicht gab. Dass er nicht existierte, ein Märchen war. Und tatsächlich – viele Jahre waren ihnen vergönnt gewesen, selbst als Familie waren sie noch eine ganze Zeit glücklich. Bis die Diagnose Krebs kam. Da wusste Noah, dass der Fluch wirklich existierte. All das sprudelte aus ihm heraus, obwohl er sich fest vorgenommen hatte, seinem Sohn diese Bürde nicht aufzuerlegen.
Noah sah ihn an. „Ich habe deine Mutter sehr geliebt. Auf meine Weise. Ich weiß nicht, welche Weise die richtige ist, aber für die Situation, in der wir Matalions uns befinden, fühlte es sich für mich immer richtig an.“ Er nahm noch einen großen Schluck. „Auch wenn du mich vielleicht im Moment nicht verstehen kannst – deine Mutter war mir immer eine gute Frau und dir eine gute Mutter! Und sie hat uns geliebt! Vergiss das nie, mein Sohn.“
Nein, das würde Ric nie vergessen. Aber er trauerte. Er trauerte um all das, was sein Vater nie hatte, und um das, was er selbst nie haben würde.
Nun war über ein Jahr vergangen. Keiner der beiden hatte das Thema seitdem wieder aufgegriffen. Sie beide, Vater und Sohn, waren keine Männer der großen Worte. Sie litten beide schweigend. Doch nun, nachdem Ric sicher war, dass es noch etwas gab, was sein Dad ihm verschwieg, musste er das Schweigen brechen.
Schließlich stand er auf und trat auf den Flur hinaus. Er sah, dass im Wohnzimmer noch Licht brannte. Sein Dad war noch wach. Seine nackten Füße schlichen über die Holzdielen, einzelne Bretter knarrten.
„Ric?“
„Ja, Dad, ich bin´s“, antwortete er ihm. Wer auch sonst?
„Du bist noch wach?“ Noah sah ihn verwundert an, während er seine Brille von der Nase nahm und mit der anderen Hand sein Buch zur Seite legte, in dem er gerade las.
„Du doch auch“, gab sein Sohn zurück und Noah grinste.
„Stimmt. Ich lese noch ein wenig. Wolltest du was Bestimmtes?“ An seinem Unterton hörte Ric, dass sein Vater Lunte roch. Denn normalerweise kam sein Sohn nicht freiwillig des Nachts aus seinem Bett. Wenn er nicht schlafen konnte, dann war etwas faul. Es hatte also gar keinen Zweck, um den heißen Brei herum zu reden.
„Dad ... ich ... ja, ich wollte mit dir reden“, stammelte Ric. Es fiel ihm nicht leicht, seinen Vater um dieses Gespräch zu bitten. Aber er konnte nicht länger warten. Auch wenn es schon mitten in der Nacht war und er eigentlich längst schlafen sollte. Das sah sein Vater anscheinend genauso, denn er fragte: „Jetzt noch? Mitten in der Nacht? Kann das nicht bis morgen warten?“
„Nein, Dad.“ Ric sah ihn flehend an. „Bitte.“
Noah musste sich wohl oder übel geschlagen geben.
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