Im Bann der Sinne
hatte Vicki niemals eingeladen, sie dort zu besuchen.
Mit einem Mal verdüsterte sich Danicas Miene. Danica stellte die Tasse ab, fasste über den Tisch und legte eine Hand auf den Arm ihrer Tochter. Vicki war so überrascht, dass sie zunächst gar nicht reagierte. „Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen."
„Wofür denn?"
„Für alles. Dafür, dass ich dich bei Ada gelassen habe. Dafür, dass ich mich entschieden habe, meiner Liebe zu Carlo nachzujagen, statt mich um meine Tochter zu kümmern. Dafür, dass ich nie für dich da gewesen bin." Der Blick ihrer blauen Augen, die denen von Vicki so ähnlich waren, war flehend auf sie gerichtet. „Vergib mir."
Vicki wusste genau, das hatte nichts zu bedeuten, genau wie bei den letzten paar Malen, als Danica von Schuldgefühlen überwältigt worden war. Auch heute bedeuteten ihre Worte nichts. Sie würden nie etwas bedeuten. Danica war wie ein wunderschöner, aber launischer Schmetterling. Dass sie so lange bei Carlo blieb, sprach für ihre Liebe zu diesem Mann. Danica hatte es geschafft, sich in eine treue Geliebte zu verwandeln, doch mütterlich war sie nie gewesen.
Erstaunlich war, dass Vicki jetzt nicht mehr das Gefühl hatte, durch Danicas Mangel würde ihr Herz in Stücke geschnitten werden. Diese Erkenntnis verblüffte Vicki, aber sie war froh darüber. „Es gibt nichts zu vergeben", sagte sie sanft und dachte dabei an das neue Leben, das in ihr wuchs. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatten Caleb und ihr Baby ihr die emotionale Stärke geschenkt, Danicas flatterhafter Persönlichkeit standzuhalten. Durch Caleb und das Baby hatten sich die Prioritäten verschoben. Die Schatten der Vergangenheit verdüsterten ihr Leben nicht mehr, denn sie konzentrierte sich
ganz auf die glückliche Zukunft, die vor ihr lag.
„Mein Therapeut sagt, ich kann keinen Frieden finden, solange ich nicht deinen Ärger auf mich zulasse."
Nun legte Vicki ihre Hand auf die schmale Hand ihrer Mutter und hielt sie lächelnd fest. „Sag ihm, dass ich nicht ärgerlich auf dich bin." Nicht mehr. „Ich bin glücklich, dass du glücklich bist, Mutter. Du bist doch glücklich, oder?"
„Oh ja." Danica zog ihre Hand zurück. „Was ist mit dir, Darling? Wie geht es deinem großartigen Ehemann?"
„Mir geht es wundervoll und Caleb auch." Sie war froh, dass sie ihre freudige Nachricht nun ohne bittere Gefühle mit Danica teilen konnte. „Wir bekommen ein Baby."
Danica stieß einen Schrei aus, und sämtliche Gäste im Coffeeshop sahen sich nach ihr um. Doch sie hatte sich noch nie darum gekümmert, was andere Leute von ihr dachten. „Oh, Darling, wie aufregend! Liebe Güte, das bedeutet, ich werde Großmutter!"
„Du wirst eine tolle Großmutter sein und das Herz unseres Kindes sicher im Sturm erobern." Das war die absolute Wahrheit. Mit Geschenken und fröhlichem Lachen würde Danica das Leben eines Kindes mit Freude und Spaß erfüllen. Jedenfalls solange von ihr nicht mehr gefordert wurde als gelegentliche Besuche. „Bestimmt wirst du angehimmelt werden."
Diese Vorstellung schien Danica zu gefallen. Als sie glücklich über alles Mögliche plauderte, von den hübschen Babykleidern, die sie kaufen würde, bis zu ihren Abenteuern in Europa, dämmerte Vicki noch eine Erkenntnis. Danica, wurde ihr klar, wollte gar nicht verheiratet sein oder in irgendeiner Weise gebunden. Ihr Leben, das Ada Vicki immer in den finstersten Farben geschildert hatte, war für Danica genau richtig.
Bei diesem Gedanken heilte eine Wunde in Vicki, und sie sah, was für eine mitleiderregende Frau Ada eigentlich war. Das Leben ihrer Großmutter basierte auf tausend großen und kleinen Lügen. Sie war kein Mensch, vor dem man Angst haben brauchte. Nun war sich Vicki absolut sicher, dass Ada nie wieder die Macht hätte, sie einzuschüchtern.
Eine Stunde später verabschiedete Vicki sich von ihrer Mutter vor dem Coffeeshop, und ihre Wege trennten sich.
Auf dem Weg nach Hause spürte Vicki, wie sie von einer Welle der Liebe überflutet wurde. Ihr wurde bewusst, dass sie Caleb und ihr ungeborenes Baby mehr liebte als jeden anderen Menschen auf der Welt, und das war der eigentliche Grund, weshalb sie ihrer Mutter vergeben konnte. Danica hatte niemals solche tiefen Gefühle empfunden und würde das auch in Zukunft nicht tun.
Ihre Mutter genoss ihr Leben, aber sie hatte niemals jemandem ihr Herz geschenkt.
Nicht ihrem Kind, nicht ihrem verheirateten Liebhaber, nicht ihrer Arbeit.
Zehn Tage nach der
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