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Im Bann der Träume

Im Bann der Träume

Titel: Im Bann der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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habe ihn ein Schlag mit ungeheurer Wucht getroffen. Sie selbst stand in einer roten Wolke, und in ihrem Kopf wühlte ein dumpfer Schmerz. Dieser Schmerz verbiß sich in ihren Willen; sie versuchte sich davon loszureißen. Hinter dem Schmerz lauerte etwas, das sie, Charis Nordholm, zum Werkzeug einer stärkeren Persönlichkeit machen wollte.
    Der Schmerz zerrte an ihr. Sie kroch durch diesen roten Nebel, weiter, immer weiter. Wohin? Weshalb? Da war nur der Schmerz und die Bereitschaft, sich dem Willen unterzuordnen, der ihr diesen Schmerz zufügte. Alles um sie herum war rot. Aber allmählich hob sich dieser rote Nebel und verblaßte, wie ein Feuer in sich zusammenfällt und zu Asche wird. Rot und grau … das Grau blieb, ein Grau, das sie sah und fast greifen konnte …
    Charis lag auf dem Rücken. Rechts von ihr war ein Wandbogen, der sich einwärts über ihren Kopf krümmte. Diese Wand hatte sie schon einmal gesehen. Zwielicht, nackte Wände, ein Klapptisch, ein Sitz daneben … Die Handelsniederlassung. Sie war dorthin zurückgekehrt!

 
8
     
    Es war seltsam ruhig. Charis hockte auf dem Feldbett und zerrte ihren Coverall zurecht. Coverall? Tief in ihr nagte ein Zweifel. Es war sehr still in der Niederlassung. Sie ging zur Tür und legte ihre Handflächen neben den Spalt. War sie eingeschlossen? Als sie leicht gegen die Tür drückte, schob sie sich auf, und sie konnte in den Korridor hinaussehen.
    Die Türen standen weit offen, als sie in die Freiheit hinausschlüpfte. Sie lauschte, vernahm aber keinen Laut, kein Stimmengemurmel, nicht einmal das ruhige Atmen von Schläfern. Mit bloßen Füßen ging sie über den eiskalten Boden in die Halle hinaus.
    Aber das hatte sie doch schon einmal getan? Doch sie tat es jetzt und hier. Der Raum war leer; sie sah sich genau um, denn sie wollte dessen sicher sein. Im vierten Raum endlich fand sie den Sichtschirm eines Nachrichtengerätes an der Wand, Stühle und Haufen von Tonbändern auf dem Tisch. Sie konnte mit dem Suchstrahl des Funkgerätes eine Regierungsstelle zu erreichen versuchen. Zuerst mußte sie aber sicherstellen, daß sie allein war.
    Sie huschte von Raum zu Raum durch die ganze Niederlassung. Dann war sie zurück und beugte sich über die Tasten des Funkgerätes, um den Suchstrahl auszusenden.
    Ein Signal aus dem Nordosten. Der Sichtschirm verschleierte sich und wurde wieder klar. Ein Mann trat aus dem Nebel heraus, und er trug die Uniform eines Händlers. Charis kannte ihn nicht; ihr fiel aber die illegale Strahlenpistole auf, die er im Gürtel stecken hatte; sie unterschied ihn von allen Mannschaften der Randraumschiffe. Charis’ Hände streckten sich aus, um den Kontakt zu unterbrechen.
    Wieder sandte sie den Strahl aus, diesmal nach Süden und bekam ein Signal herein, die Insignien der Überwachungsbehörde mit dem Gesandtschaftssiegel. Langsam gab sie eine Mitteilung für das Band durch.
    Sie befand sich auf einem Hügel. Es war kalt und dunkel; sie rannte, bis jeder Atemzug in ihre Lungen stach. War Tolskegg bereit, sie laufen zu lassen, damit sie in den Bergen allein in den Klauen eines wilden Tieres oder an Erschöpfung und Hunger sterben konnte? Tolskegg war nun der Herrscher über die Kolonistensiedlung auf Demeter.
    Demeter! Sie wollte nicht wahrhaben, daß sie dort war, kämpfte dagegen an. Entsetzen schüttelte sie. Zwar kletterte sie die Höhen hinter der Siedlung hinauf, aber sie wußte genau, daß dies falsch war.
    Ein Traum. Wenn ein Traum sie gefangenhielt, dann mußte es doch auch ein Erwachen geben. Nein, kein Traum; doch, ein Traum. Sie spürte ihre Erschöpfung, das Bohren des Hungers, den steinigen Boden, über den sie taumelte, die Büsche, die an ihr zerrten. Ein Traum! Die Büsche verblaßten, bis sie nur noch als geisterhafte Schatten erschienen. Ihre Umrisse flossen ineinander, und durch sie hindurch sah sie eine Wand, eine Mauer. Ja, eine dicke, solide Mauer. Sie war nicht auf Demeter, sondern …
    Warlock! Die im Schatten liegenden Hänge von Demeter verschwanden. Wie Rauch schienen sie unter einem fauchenden Wind davonzutreiben. Sie lag auf einer Matte. Rechts von ihr war ein Fenster, durch das sie die Sterne am Nachthimmel sah. Sie war auf Warlock und in der Zitadelle der Wyvern.
    Sie lag ganz still, um den Traum von der Wirklichkeit zu trennen. Die Niederlassung war überfallen und zerstört worden. Dieser Überwachungsoffizier Shann Lantee … Sie konnte ihn sehen, als stehe er vor ihr, und der blutbefleckte fremde Speer lag

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