Im Bann der Träume
dieser Entwicklung weggespült. Das soll aber nicht geschehen. Und jetzt…«, er sah zum Himmel hinauf, als könne er damit einen Hubschrauber heranholen – »werden wir uns wohl auf den Weg machen müssen.«
»Ich glaube nicht, daß wir jemals zur Zitadelle zurückkehren können«, zweifelte Charis.
»Nein, falls sie einen Schlag gegen die Außenweltler vorbereiten. Sie müssen dann die Zitadelle restlos dichtmachen. Wir können nur zu unserem eigenen Hauptquartier gehen; dort können wir dann einen Hilferuf aussenden. Steht die Zeit auf unserer Seite, dann werden wir auch mit den Banden fertig, bevor die Wyvern sich damit befassen. Aber wo sind wir jetzt, und wie weit sind wir von unserem Posten entfernt?« Er dachte nach und schüttelte den Kopf. »Hast du deine Scheibe bei dir?«
»Nein. Aber ich brauche sie auch gar nicht.« Sie wußte allerdings nicht genau, ob sie sich restlos darauf verlassen konnte. Natürlich war sie von der Felseninsel weggekommen, und auch den Ort des grünen Nebels hatte sie verlassen, aber sie kannte ja den Regierungsposten nicht.
»Wenn ich ihn dir so genau beschreibe, wie du diesen Unterschlupf mir beschrieben hast – wird das gehen?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube, die Höhle war ein Traum.«
»Und unsere Körper waren hier und dienten als Anker, um uns zurückzuholen? Das wäre möglich. Aber es schadet nichts, wenn wir’s versuchen.«
Jetzt mußte es ungefähr Mittag sein. Die Sonne brannte heiß auf die Felsen, und es war richtig, was Lantee sagte, daß es in dieser Gegend wenig charakteristische Punkte gab. Sein Vorschlag war daher ebenso gut wie jeder andere gewesen wäre. Charis suchte nach einem Fleckchen Erde und einem Stein oder Zweig, um ihr Muster zeichnen zu können; doch sie fand nichts.
»Ich muß doch etwas haben«, sagte sie, »um etwas zu zeichnen.«
»Zeichnen?« meinte Lantee nachdenklich und sah sich um. Dann kramte er aufgeregt in einer seiner Gürteltaschen und nahm ein Verbandspäckchen heraus. Es enthielt einen Sterilstift, der kleine Wunden reinigte und schnell abheilen ließ. Der Stift war fettig. Sie versuchte damit auf den Felsen zu schreiben. Die Striche waren nur schwach zu erkennen, aber man konnte sie sehen.
»Und jetzt suchen wir einen Platz aus, den ich kenne«, sagte Lantee und hockte sich neben Charis auf die Fersen. »Er liegt etwa eine halbe Meile vom Posten entfernt.«
»Warum nicht den Posten selbst?«
»Weil dort ein Empfangskomitee sein könnte, auf das ich keinen Wert lege. Ich möchte mich erst ein wenig umsehen, bevor ich mich absichtlich in Schwierigkeiten stürze.«
Das war natürlich sehr vernünftig. Entweder hatten die Wyvern schon etwas unternommen – Charis hatte ja keine Ahnung, wieviel Zeit schon vergangen war, seit sie auf die Felseninsel verbannt wurde – oder die Banden wußten inzwischen, wie unterbesetzt der Regierungsposten war und hatten ihn übernommen, um jede Einmischung von außen unmöglich zu machen.
»Ja, hier ist ein kleiner See von dieser Form.« Lantee zeichnete mit dem Stift. »Und hier sind Bäume; eine ganze Reihe davon steht in dieser Richtung. Alles übrige ist Wiesenland. Wir müßten zu diesem Ende des Sees kommen.«
Es war sehr schwierig, diese rohe Skizze in ein wirkliches Bild zu übertragen, und Charis schüttelte den Kopf. Dann lehnte sich Lantee über sie und legte seine Hände flach auf ihre Stirn, genau über den Augen.
11
Was Charis sah, war undeutlich und verschleiert, nicht so klar gezeichnet wie die Bilder aus ihrem eigenen Gedächtnis. Vielleicht genügte es trotzdem. Allerdings kamen zusammen mit diesem undeutlichen Bild noch andere; hinter dem See und den Bäumen tauchte dieser Korridor mit den Türen auf. Charis stieß Lantees Hände weg, starrte ihn an und atmete schwer; sie versuchte, in seinen Augen das bewußte Bild zu erkennen.
»Wir müssen daran denken, welche Gefahr damit verbunden ist«, sagte Lantee.
»Nein, nicht wieder! Niemals mehr!« rief Charis mit schriller Stimme.
Er nickte. »Nein, nie wieder. Hast du genug von dem anderen gesehen?«
»Ich hoffe.« Sie nahm den Stift und wählte ein ebenes Felsstück aus, auf dem sie das Muster zeichnete. Als sie die beiden kleinen Ovale eintrug, die ihr Tsstu gezeigt hatte, hielt Charis inne. »Ich kann Tsstu nicht zurücklassen. Und Taggi …« Sie schloß die Augen und sandte einen unhörbaren Ruf aus: »Tsstu! Komm! Komm sofort!«
Eine Gedankenwelle rollte auf sie zu, ebenso verschleiert wie die,
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