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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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entfernt; sie schauten und hörten zu. »Was ich öffnen soll, liegt nicht zwischen diesen beiden Buchdeckeln. Es liegt in mir. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt.« Sie sah Leoman erneut an. »Du musst mir vertrauen.«
    Die Haut um die Augen des Wüstenkriegers spannte sich kaum merklich.
    »Aber das konntest du noch nie – jemandem vertrauen. Stimmt’s, Leoman?«
    »Wer spricht jetzt?«
    »Wir.«
    Er schwieg.
    »Toblakai.«
    »Ja, Wiedergeborene Sha’ik?«
    »Was würdest du mit einem Mann machen, der an dir zweifelt?«
    »Ich würde ihn mein Schwert spüren lassen«, antwortete er.
    Heboric schnaubte.
    Felisin drehte sich zu ihm um. »Und du? Was würdest du tun?«
    »Nichts. Ich wäre so, wie ich immer bin, und wenn ich mich seines Vertrauens würdig erweise, wird der Mann es mir eines Tages auch entgegenbringen.«
    »Es sei denn …?«
    Er machte ein finsteres Gesicht. »Es sei denn, der Mann hat kein Vertrauen zu sich selbst, Felisin.«
    Sie drehte sich wieder zu Leoman um und wartete.
    Heboric räusperte sich. »Du kannst niemandem befehlen, Vertrauen zu haben, Schätzchen. Gehorsam, das schon, aber keinen Glauben.«
    Sie wandte sich an Leoman. »Du hast mir von einem Mann im Süden erzählt. Einem Mann, der die Überreste einer geschlagenen Armee und Zehntausende von Flüchtlingen anführt. Sie tun, was er befiehlt, ihr Vertrauen ist absolut – wie hat dieser Mann das geschafft?«
    Leoman schüttelte den Kopf.
    »Bist du jemals einem Anführer gefolgt, Leoman?«
    »Nein.«
    »Dann weißt du es also wirklich nicht.«
    »Ich weiß es nicht, Seherin.«
    Ohne sich um die Blicke der drei Männer zu kümmern, zog Felisin sich aus und schlüpfte in Sha’iks Kleider. Sie legte den fleckigen Silberschmuck mit einem merkwürdigen Gefühl langer Vertrautheit an und warf dann die Lumpen beiseite, die sie zuvor getragen hatte. Sie warf einen langen Blick in das Wüstenbecken und sagte dann: »Kommt. Die Hohemagier fangen an, die Geduld zu verlieren.«
     
    »Laut dem Ersten Maat sind wir nur wenige Tage von Falar entfernt«, sagte Kalam. »Und alle reden über diese Handelswinde.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte der Kapitän grollend. Er sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Der Assassine füllte ihre Krüge nach und lehnte sich zurück. Was auch immer den Kapitän noch quälen mochte und ihn nun schon seit Tagen an seine Koje fesselte, ging über die Verletzungen hinaus, die ihm der Leibwächter zugefügt hatte. Natürlich können Kopfwunden Komplikationen verursachen. Aber selbst dann … Der Kapitän zitterte, wenn er sprach; er redete jedoch nicht undeutlich oder eigenartig. Die Schwierigkeit schien eher darin zu bestehen, die Worte auszustoßen, sie zu etwas zu verbinden, das irgendwie einem Satz ähnelte. Doch in seinen Augen konnte Kalam einen Verstand erkennen, der noch genauso scharf war, wie er gewesen war.
    Der Assassine stand vor einem Rätsel, doch er spürte instinktiv, dass seine Gegenwart den Anstrengungen des Kapitäns mehr Kraft verlieh. »Der Ausguck hat gestern kurz vor Sonnenuntergang ein Schiff in unserem Kielwasser gesehen. Er glaubt, dass es ein malazanisches schnelles Handelsschiff war. Wenn es wirklich eines war, muss es uns während der Nacht ohne Laternen und ohne Anruf passiert haben. Zumindest haben wir heute Morgen keine Spur mehr von ihm gesehen.«
    Der Kapitän grunzte. »Wir sind noch nie schneller gesegelt. Ich wette, auch ihre Augen sind weit aufgerissen, und sie werfen bei jeder verdammten Glocke einen kopflosen Hahn über die Steuerbordreling in Berus lächelnden Rachen.«
    Kalam nahm einen Schluck von dem mit Wasser verdünnten Wein; er musterte den Kapitän über den verbeulten Rand des Kruges hinweg. »Die letzten beiden Seesoldaten sind vergangene Nacht gestorben. So allmählich fange ich an, mir Gedanken über den Heiler dieses Schiffs zu machen.«
    »Der ist wohl ein bisschen zu viel von Oponn angeschoben worden. Sieht ihm gar nicht ähnlich.«
    »Nun, im Moment ist er gerade bewusstlos. Zu viel Piratenbier.«
    »Er trinkt nicht.«
    »Jetzt schon.«
    Der Blick, den der Kapitän ihm zuwarf, war wie ein helles, fernes Licht; ein Leuchtturm, der vor Untiefen warnte.
    »Ich nehme an, dass durchaus nicht alles in Ordnung ist«, knurrte der Assassine.
    »Im Kopf des Kapitäns ist allerhand schräg, das ist eine Tatsache. Eine Zunge voller Dornen, nahe bei Ohren wie Eicheln unter dem Mulch, bereit, heimlich zu brüten. Zu brüten …«
    »Wenn Ihr

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