Im Bann der Wüste
diese Bucht ist für ihre Haie berüchtigt, stimmt’s? Aber ich habe großes Vertrauen zu dir, Kalam. Ich weiß, dass du es schaffen wirst. Zumindest bis ans Ufer. Danach allerdings …«
Kalam spürte, wie er hochgehoben und über die Reling geschoben wurde. Er starrte auf das schwarze Wasser hinab.
»Es ist schon verdammt schade um den Kapitän und seine Mannschaft«, keuchte Perl dicht an seinem Ohr. »Aber du wirst sicher verstehen, dass ich keine andere Wahl habe. Und jetzt – leb wohl, Kalam Mekhar.«
Der Assassine tauchte mit einem leisen Platschen ins Wasser. Perl starrte hinunter, während sich das Wasser wieder beruhigte. Sein Vertrauen in Kalam geriet ins Wanken. Schließlich trug der Assassine ein Kettenhemd. Dann zuckte er die Schultern, zog ein Paar kurzer, scharfer Dolche und drehte sich zu den reglosen Gestalten auf dem Hauptdeck um. »Leider gibt es für einen guten Mann immer etwas zu tun«, sagte er zu sich selbst und machte ein paar Schritte vorwärts.
Der schemenhafte Umriss, der genau vor ihm aus den Schatten auftauchte, war groß, knochig und hatte schwarze Gliedmaßen. Ein einzelnes Auge glomm in dem langschnäuzigen Schädel, und hinter diesem Auge war schwach ein Reiter zu erkennen, dessen Gesicht aussah wie die Parodie des Angesichts seines Reittiers.
Perl trat einen Schritt zurück, lächelte. »Oh, eine Gelegenheit, euch für eure Bemühungen gegen die Semk zu danken. Ich weiß nicht, woher ihr damals gekommen seid, noch kann ich mir vorstellen, wie ihr jetzt hierher gekommen seid, oder warum, doch nehmt bitte meinen aufrichtigen Dank – «
»Kalam«, flüsterte der Reiter. »Eben war er noch hier.«
Perl kniff die Augen zusammen. »Ah, jetzt verstehe ich. Ihr seid gar nicht mir gefolgt, stimmt’s? Nein, natürlich nicht. Wie dumm von mir! Nun, um deine Frage zu beantworten, mein Kind, Kalam ist in die Stadt gegangen – «
Der Sprung des Dämons schnitt ihm die weiteren Worte ab. Perl duckte sich unter den zuschnappenden Kiefern weg und wurde dafür von dem herumschwingenden Vorderbein erwischt. Die Wucht des Hiebes schleuderte die Klaue zwanzig Fuß durch die Luft und gegen ein Beiboot. Ein stechender Schmerz durchzuckte Perl – er hatte sich bei dem Aufprall die Schulter ausgerenkt. Er rollte sich ab, zwang sich in eine sitzende Position und starrte der Dämonin entgegen, die auf ihn zukam.
»Wie ich sehe, habe ich meinen Meister gefunden«, flüsterte Perl.
»Nun gut.« Er griff unter sein Hemd. »Versucht’s doch mal mit dem da.«
Das kleine Fläschchen zerbrach zwischen ihnen auf den Decksplanken. Rauchschwaden blähten sich auf, begannen zu verschmelzen.
»Der Kenryl Pah sieht so aus, als brenne er auf einen Kampf, meint ihr nicht auch? Nun – «, er mühte sich auf die Beine, »ich denke, ich überlasse euch das Feld. Es gibt da eine ganz bestimmte Taverne in Malaz, die ich schon immer für mein Leben gern mal sehen wollte.«
Er gestikulierte, und ein Gewirr öffnete sich, wogte über ihn hinweg – und als es sich wieder schloss, war Perl fort.
Apt sah zu, wie der Imperiale Dämon langsam Gestalt annahm; die Kreatur war doppelt so groß wie sie, ungeschlacht und tierisch.
Das Kind beugte sich nach vorn und stupste Apts Schulterblatt an. »Wir sollten sehen, dass wir mit dem da schnell fertig werden, ja?«
Eine Serie von Erschütterungen und das Geräusch von berstendem Holz weckten den Kapitän. Er blinzelte in die Dunkelheit, während die Lumpenpfropf ’ wild schwankte. Von Deck ertönten Schreie. Ächzend kämpfte sich der Kapitän aus der Koje; er verspürte eine Klarheit in seinen Gedanken, wie er sie seit Monaten nicht mehr gekannt hatte – eine Freiheit, zu tun und zu denken, was er wollte, die ihm unzweideutig sagte, dass Perls Bann verschwunden war.
Mühsam schwankte er zur Kajütentür. Seine Beine waren schwach, weil er sie so lange nicht benutzt hatte, doch er tappte weiter in den Gang hinaus.
Als er auf das Deck stieg, fand er sich inmitten einer Gruppe hingekauerter Seeleute wieder. Direkt vor ihnen kämpften zwei schreckliche Kreaturen gegeneinander; die größere der beiden war eine einzige Masse aus zerfetztem Fleisch, die keine Chance gegen die blitzschnellen Bewegungen ihres Gegners hatte. Ihre wilden Attacken mit einer gewaltigen Doppelaxt hatten das Deck und die Reling zu Brei geschlagen. Ein Hieb hatte den Mast durchtrennt, und wenn er auch stehen blieb, weil er sich irgendwo weiter oben in Tauwerk verheddert hatte, neigte er
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