Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
er nicht. Ich habe die Raraku abgeriegelt, Heboric. Der Sturm kann einem das Fleisch von den Knochen fetzen. Nicht einmal ein T’lan Imass würde es schaffen, da durchzukommen.«
    »Doch du hast ein Zeichen gesetzt«, sagte der alte Mann. »Den Wirbelwind.«
    »Was in Korbolo Dom einige Zweifel geweckt hat. Und Ängste. Er ist ganz wild darauf, die Aufgabe zu beenden, die er sich selbst gestellt hat. Er ist noch immer der unumschränkte Herr der Odhan-Armee und kann so seiner Besessenheit frönen – «
    »Was wirst du also tun? Klar, wir können marschieren, aber wir werden Monate brauchen, um die Ebene von Aren zu erreichen, und bis dahin wird Korbolo Dom Tavore mehr als genug Gründe für eine unbarmherzige Strafaktion gegeben haben. Die Rebellion war bislang schon blutig genug, aber deine Schwester wird dafür sorgen, dass alles, was bis jetzt geschehen ist, nur wie ein Kratzer auf dem Rücken aussieht.«
    »Du bist der Ansicht, sie ist mir überlegen, stimmt’s, Heboric? Was Strategie angeht – «
    »Es gibt Beispiele dafür, wie weit deine Schwester in Sachen Grausamkeit zu gehen bereit ist, Mädchen«, grollte er. »Schau doch einfach mal dich selbst an …«
    »Aber genau das ist mein größter Vorteil, alter Mann. Tavore glaubt, sie hat es mit einer Wüstenhexe zu tun, die sie noch nie gesehen hat. Ihre Unwissenheit wird die Verachtung, die sie einer solchen Kreatur entgegenbringt, keineswegs verringern. Ich hingegen weiß ganz genau, wer mein Feind ist …«
    Das aus einiger Entfernung heranwehende Brüllen des Wirbelwinds, der sich hinter ihnen auftürmte, hatte sich kaum merklich verändert. Sha’ik lächelte. Heboric nahm die Veränderung nur einen Augenblick später wahr. Er drehte sich um. »Was geschieht da?«
    »Wir werden keineswegs Monate brauchen, um Aren zu erreichen, Heboric. Hast du dich noch nie gefragt, was der Wirbelwind eigentlich wirklich ist?«
    Die blinden Augen des Priesters weiteten sich, als er sich der wirbelnden Staubsäule zuwandte. Sha’ik fragte sich, wie der alte Mann mit seinen übernatürlichen Sinnen das Phänomen wohl wahrnehmen mochte, doch seine nächsten Worte machten deutlich, dass was immer er auch sah, der Wirklichkeit entsprach. »Bei den Göttern, sie kippt!«
    »Dryjhnas Gewirr, Heboric, unsere wirbelnde Straße in den Süden.«
    »Wird sie uns rechtzeitig dorthin bringen, Fei- … Sha’ik? Rechtzeitig, um Korbolo Doms Wahnsinn aufzuhalten?«
    Sie antwortete nicht. Es war sowieso schon zu spät.
     
    Als Duiker durch das Tor ritt, griffen behandschuhte Hände nach Zügeln und Halfter und brachten seine Stute ruckartig zum Stehen. Eine kleinere Hand schloss sich um das Handgelenk des Historikers, zerrte schon beinahe verzweifelt an ihm. Er schaute nach unten und sah ein so verzweifeltes Grauen in Neders Gesicht, dass der Anblick das Blut in seinen Adern erstarren ließ.
    »Zum Turm«, flehte sie. »Schnell!«
    Ein merkwürdiges Gemurmel stieg von den Wällen Arens auf, ein düsteres Geräusch, das die staubige Luft erfüllte. Duiker rutschte aus dem Sattel und spürte, wie das Herz in seiner Brust wild zu schlagen begann. Neders Hand zog ihn durch die Menge aus Soldaten der Stadtgarnison und Flüchtlingen. Er spürte, wie andere Hände sich nach ihm ausstreckten, spürte ihre leichte Berührung, als würden sie seinen Segen suchen oder ihm einen erteilen. Dann wurden sie wieder zurückgezogen.
    Ein spitzbogiges Portal gähnte plötzlich vor ihnen, mündete auf einen dämmrigen Treppenabsatz, von dem steinerne Stufen an der Innenseite der Turmmauer entlang nach oben führten. Das Gemurmel von den Wällen der Stadt wurde zu Gebrüll, zu einem wortlosen Aufschrei voller Empörung, Entsetzen und Wut. Es gellte durch den Turm, als wollte es den Wahnsinn herantragen, und wurde mit jeder Stufe, die die Waerloga und der Historiker weiter hinaufstiegen, höher.
    Auf dem mittleren Treppenabsatz zerrte Neder ihn an den T-förmigen Schießscharten entlang, vorbei an den beiden Bogenschützen, die sich an das schmale Fenster drückten, und dann weiter die ausgetretenen Stufen hinauf. Keiner der beiden Männer hatte sie bemerkt.
    Als sie die Säule aus hellem Licht direkt unter der Bodenluke im Dach erreichten, drang eine zitternde Stimme zu ihnen herunter.
    »Es sind zu viele … Ich kann nichts tun, oh, nein, die Götter mögen mir vergeben – es sind zu viele, viel zu viele …«
    Neder stieg in der Säule aus Licht hinauf, und Duiker folgte ihr. Sie betraten die breite

Weitere Kostenlose Bücher