Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
Geländer. »Die Abmachung, die die Göttin mit dir getroffen hat. Die, die beweist, dass es keine Wiedergeburt im eigentlichen Sinne gegeben hat – «
    »Hat es denn keine gegeben, Heboric?«
    »Nein. Kein Kind hat die Wahl, ob es geboren werden will oder nicht, kein Kind hat dabei etwas zu sagen. Du konntest beides. Sha’ik ist nicht wieder geboren worden, sie ist neu erschaffen worden. Es ist gut möglich, dass L’oric hier den Hebel ansetzt, weil er das für eine Schwachstelle in deinem Panzer hält.«
    »Damit würde er riskieren, den Zorn der Göttin auf sich zu ziehen.«
    »Stimmt, und ich glaube, dass ihm das sehr wohl bewusst ist, Mädchen. Und genau aus diesem Grund sollte er beobachtet werden  – und zwar sorgfältig.«
    Sie schwiegen einige Zeit, starrten beide nach Süden, wo der undurchdringliche Schleier aus Staub in der Luft hing. Schließlich räusperte sich Heboric. »Jetzt, wo du deine neuen Gaben hast, könntest du mir vielleicht auch ein paar Fragen beantworten?«
    »Und die wären?«
    »Wann hat Dryjhna dich erwählt?«
    »Was meinst du damit?«
    »Wann hat alles angefangen? Hier, in der Raraku? In Schädelmulde? Oder schon auf einem anderen Kontinent, weit weg von hier? Wann hat die Göttin das erste Mal ihr Augenmerk auf dich gerichtet, Mädchen?«
    »Das hat sie nie getan.«
    Heboric zuckte zusammen. »Das erscheint mir – «
    »Unwahrscheinlich? Mag sein, aber es ist die Wahrheit. Die Reise war meine Reise, ganz allein meine Reise. Du musst begreifen, dass auch Göttinnen unerwartete Todesfälle nicht vorhersehen können … oder all die Irrungen der Sterblichen, Entscheidungen, die getroffen, Wege, die eingeschlagen werden – oder eben nicht. Die Altere Sha’ik hat die Gabe der Prophezeiung besessen, aber eine solche Gabe ist zunächst einmal nichts weiter als eine Saat. Sie wächst in der Freiheit einer menschlichen Seele. Dryjhna war von Sha’iks Visionen zutiefst beunruhigt. Visionen, die keinen Sinn ergaben. Ein Hinweis auf irgendeine Gefahr, aber nichts Eindeutiges, überhaupt nichts. Außerdem«, fügte sie nach einer kurzen Pause schulterzuckend hinzu, »passen Strategie und Taktik und die Apokalypse so wenig zusammen wie Wasser und Feuer.«
    Heboric verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Das verspricht nichts Gutes.«
    »Falsch. Es steht uns frei, unsere eigenen Kriegslisten zu ersinnen.«
    »Selbst wenn die Göttin dich nicht geführt hat – irgendjemand oder irgendetwas hat es getan. Sonst hätte Sha’ik niemals diese Visionen haben können.«
    »Jetzt sprichst du von Schicksal. Streite dich darüber mit anderen Gelehrten, mit deinen Kollegen. Nicht jedes Geheimnis kann gelüftet werden, so sehr du auch glauben magst, dass es so wäre. Es tut mir Leid, wenn dich das schmerzt …«
    »Nicht halb so Leid wie mir. Doch mir kommt immer mehr der Gedanke, dass nicht nur die Menschen nichts weiter als Figuren auf einem Spielfeld sind – sondern auch die Götter.«
    »›Elementare Kräfte im Widerstreit‹«, sagte sie lächelnd.
    Heboric zog die Brauen hoch, machte dann ein finsteres Gesicht. »Ein Zitat. Eins, das mir vertraut vorkommt – «
    »Das sollte es auch. Schließlich ist es in das Imperiale Tor in Unta gemeißelt. Kellanveds eigene Worte, als ein Mittel, um die Balance zwischen Zerstörung und Erschaffung zu rechtfertigen – die Ausbreitung des Imperiums in all seiner hungrigen Pracht.«
    »Beim Atem des Vermummten!«, zischte der alte Mann.
    »Na, habe ich dafür gesorgt, dass deine Gedanken jetzt in eine ganz andere Richtung wirbeln, Heboric?«
    »Ja.«
    »Nun, spar dir deinen Atem. Das Thema deiner nächsten Abhandlung – ich habe keinen Zweifel daran, dass die Hand voll unbedeutender alter Narren vor Begeisterung Luftsprünge machen wird.«
    »Was für alte Narren?«
    »Deine gelehrten Kollegen. Deine Leser, Heboric.«
    »Ach so.«
    Wieder schwiegen sie einige Minuten lang. Schließlich meldete sich der ehemalige Priester erneut zu Wort. »Was hast du jetzt vor? Wie willst du damit umgehen?«, fragte er sanft.
    »Womit? Mit dem, was da draußen geschehen ist?«
    »Mit dem, was da draußen immer noch geschieht. Korbolo Dom richtet in deinem Namen ein sinnloses Blutbad an – «
    »Im Namen der Göttin«, korrigierte sie ihn, und sie konnte den Zorn in ihrer Stimme selbst hören. Sie hatte über diese Angelegenheit bereits einen scharfen Wortwechsel mit Leoman gehabt.
    »Er hat mittlerweile bestimmt von der ›Wiedergeburt‹ gehört – «
    »Nein, das hat

Weitere Kostenlose Bücher