Im Bann der Wüste
der die Waffe hielt, indem er ihm die Kehle herausriss.
Danach rührte er sich nicht mehr.
Die Standarte des Krähen-Clans schwankte, neigte sich nach einer Seite und fiel schließlich um, verschwand zwischen den Soldaten.
Duiker stand völlig reglos da. Er konnte es nicht glauben.
Coltaine.
Ein schrilles Wimmern erklang hinter dem Historiker. Er drehte sich langsam um. Neder hielt Nil noch immer fest, als wäre er ein Säugling, doch sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt, starrte mit weit aufgerissenen Augen zum Himmel hinauf.
Ein Schatten huschte über sie hinweg.
Krähen.
Und zu Sormo, dem Älteren Waerloga, waren damals, auf den Wällen von Unta, elf Krähen gekommen – elf – , um die Seele des großen Mannes in sich aufzunehmen, denn sie war zu groß für eine einzige Kreatur. Elf.
Der Himmel über Aren war voller Krähen, ein Meer aus schwarzen Schwingen, die von allen Seiten zusammenströmten.
Neders Wimmern wurde immer lauter, als würde ihr die Seele herausgerissen.
Eisiger Schrecken durchzuckte Duiker. Es ist noch nicht vorbei – es ist noch nicht vorbei! Er wirbelte herum, sah, wie das Kreuz aufgerichtet wurde, sah den immer noch lebenden Mann, der daran genagelt war.
»Sie werden ihn nicht freilassen!«, schrie Neder mit schriller Stimme. Plötzlich war sie an seiner Seite und starrte zu dem Grabhügel hinaus. Sie riss sich an den Haaren, zerkratzte sich die Kopfhaut, bis ihr das Blut übers Gesicht lief. Duiker packte ihre Handgelenke – sie waren so dünn, fühlten sich in seinen Händen an wie die eines Kindes – und zog sie weg, ehe sie sich die Augen auskratzen konnte.
Auf der Plattform stand Kamist Reloe, neben ihm Korbolo Dom. Zauberei blühte auf – eine giftige, wilde Woge, die emporjagte und mitten zwischen die näher kommenden Krähen fuhr. Schwarz gefiederte Körper gerieten ins Trudeln und stürzten in die Tiefe …
»Nein!«, kreischte Neder. Sie wand sich in Duikers Armen, versuchte, sich über die Mauer zu schwingen.
Die Krähenwolke barst auseinander, formierte sich neu und versuchte ein zweites Mal, sich zu nähern.
Kamist Reloe löschte nochmals Hunderte von ihnen aus.
»Erlöst seine Seele! Vom Fleisch! Erlöst sie!«
Neben ihnen drehte sich der Garnisonskommandant um und rief einem seiner Adjutanten mit eisiger Stimme zu: »Hol mir Blinzler, Korporal. Sofort!«
Der Adjutant hielt sich nicht damit auf, die Stufen hinunterzurennen. Er ging einfach zur hinteren Mauer und brüllte hinunter: »Blinzler! Komm sofort hier rauf, verdammt!«
Eine weitere Woge aus Magie wischte noch mehr Krähen vom Himmel. In völliger Stille formierten sie sich erneut.
Das Gebrüll auf den Wällen von Aren war verstummt. Jetzt hing ein unheilvolles Schweigen in der Luft.
Neder war zusammengebrochen und lag wie ein Kind in den Armen des Historikers. Duiker konnte Nil sehen, der eng zusammengerollt reglos neben der Bodenluke lag – entweder bewusstlos oder tot. Er hatte sich besudelt und lag inmitten einer Pfütze.
Stiefel polterten die Treppe herauf.
Der Adjutant wandte sich an den Kommandanten. »Er hat den Flüchtlingen geholfen. Ich glaube, er hat nicht die geringste Ahnung, was da vorgeht.«
Duiker drehte sich erneut um, schaute zu der einsamen Gestalt hinüber, die ans Kreuz geschlagen worden war. Coltaine lebte noch immer – sie würden ihn nicht sterben lassen, würden seiner Seele nicht die Freiheit geben, und Kamist Reloe wusste nur zu gut, was er tat; er wusste um die Entsetzlichkeit seiner Tat, während er methodisch die Gefäße für Coltaines Seele vernichtete. Von allen Seiten drängten sich schreiende Krieger heran; sie wimmelten auf dem Grabhügel durcheinander wie Insekten.
Wurfgeschosse wurden auf die Gestalt am Kreuz geschleudert, Dinge, die rote Flecken zurückließen. Fleischfetzen – bei den Göttern, Fleischfetzen – das, was von der Armee noch übrig ist. Dies war ein solches Maß an Grausamkeit, dass Duiker sich innerlich krümmte.
»Hier rüber, Blinzler!«, hörte er den Kommandanten knurren. Ein Mann schob sich neben Duiker – klein, untersetzt, grauhaarig. Seine Augen, die in einem Netz aus Fältchen lagen, waren auf das Kreuz und den Mann daran gerichtet. »Erbarmen«, flüsterte er.
»Nun?«, wollte der Kommandant wissen.
»Das sind fünfhundert Schritt, Blistig – «
»Ich weiß.«
»Könnte sein, dass ich mehr als einen Schuss brauche, Kommandant.«
»Dann fang endlich an, verdammt!«
Der alte Soldat, dessen Uniform aussah, als
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