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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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klafften Dellen, dort war das Holz rau und mit Wasser voll gesogen.
    Dann gibt es also nur einen Weg hinauf …
    Der Assassine tastete sich am Fuß der Barriere entlang, bis er sich einem Kauffahrer gegenüber befand. Das bauchige Schiff lag zur Seite geneigt im Schlamm. Ein dickes Hanftau spannte sich von seinem Bug zu einem der Bronzeringe an den Pfählen.
    Unter normalen Umständen wäre die Kletterei kein Problem gewesen, doch selbst mit der inneren Disziplin, die ein Teil der Ausbildung zur Klaue war, konnte Kalam nicht verhindern, dass die Wunde an seiner Seite wieder zu bluten begann, als er sich an dem Seil hochhangelte. Er spürte, wie er immer schwächer wurde, je mehr er sich dem Ring näherte, und als er ihn schließlich erreicht hatte, musste er eine Pause einlegen; seine Glieder zitterten, während er versuchte, wieder zu Kräften zu kommen.
    Seit Salk Elan ihn über Bord geworfen hatte, war ihm nicht viel Zeit zum Nachdenken geblieben – auch jetzt nicht. Es war Zeitverschwendung, die eigene Dummheit zu verfluchen. In den dunklen, engen Straßen und Gassen von Malaz warteten berufsmäßige Mörder auf ihn. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden die nächsten paar Stunden die letzten sein, die er auf dieser Seite vom Tor des Vermummten verbrachte.
    Doch Kalam hatte nicht die Absicht, eine leichte Beute abzugeben.
    Gegen den großen Ring gekauert, konzentrierte er sich darauf, wieder ruhig und gleichmäßig zu atmen und die Blutung des Messerstichs und der zahllosen Wunden, die ihm die Aale beigebracht hatten, zu stillen,
    Augen auf den Dächern der Lagerhäuser, mit magisch gesteigerter Sicht – und ich habe noch nicht einmal ein Hemd, um meine Körperwärme zu verbergen. Sie wissen, dass ich verwundet bin. Das Ganze ist eine Herausforderung für die höheren Disziplinen – obwohl ich glaube, dass selbst Hadra in ihren besten Zeiten es nicht geschafft hätte, in diesen Straßen ihr Fleisch zu kühlen. Kann ich es schaffen?
    Er schloss erneut die Augen. Zieh das Blut von der Oberfläche ab, zieh es ab und versteck es im Inneren der Muskeln, dicht bei den Knochen. Jeder Atemzug muss Eis sein, jedes Körperteil, das mit Pflastersteinen oder Wänden in Berührung kommt, muss die gleiche Temperatur haben wie sie. Dort, wo ich vorbeigegangen bin, darf nichts zurückbleiben, und wenn ich mich bewege, darf keine Wärme aufscheinen. Was werden sie von einem verwundeten Mann erwarten?
    Das sicher nicht.
    Er öffnete die Augen, ließ mit einer Hand den Ring los und drückte den Unterarm gegen das zerfressene Metall. Es fühlte sich warm an.
    Es war Zeit aufzubrechen.
    Die Spitze des Pfahls war jetzt leicht zu erreichen. Kalam streckte sich, zog sich langsam auf die von getrocknetem Vogelkot überkrustete Oberfläche des Piers. Vor ihm erstreckte sich die Hafenstraße. Lastkarren drängten sich vor den geschlossenen Türen der Lagerhäuser, die auf die Straße hinausgingen; der nächste stand kaum zwanzig Schritte entfernt.
    Zu rennen hieße den Tod heraufzubeschwören, denn dann würde sein Körper sich nicht schnell genug an Temperaturänderungen anpassen können, und der Wärmeschein wäre nicht zu übersehen.
    Einer dieser Aale ist zu weit gekrochen, und er ist dabei, noch weiter zu kriechen. Flach auf dem Bauch schob sich Kalam auf den feuchten Pflastersteinen vorwärts; sein Gesicht war nach unten gerichtet, und er atmete zum Boden hin aus.
    Zauberei macht Jäger träge, sodass sie sich nur auf das einstellen, von dem sie glauben, dass es für ihre geschärften Sinne offensichtlich sein wird. Sie vergessen das Spiel der Schatten, das Spiel der Dunkelheit, die winzigsten verräterischen Zeichen … zumindest hoffe ich das.
    Er konnte nicht aufblicken, doch er wusste, dass er jetzt vollständig sichtbar war, wie ein Wurm, der einen Plattenweg überquerte. Ein Teil seines Verstandes wollte in Panik aufschreien, doch der Assassine unterdrückte das Gefühl. Höhere Disziplin war ein unbarmherziger Herr – über den eigenen Verstand, den eigenen Körper, die eigene Seele.
    Seine größte Sorge war, dass der bedeckte Himmel über der Stadt aufreißen könnte. Der Mond war zu seinem Feind geworden, und sollte er erwachen, könnte selbst der nachlässigste Beobachter den Schatten, den Kalam auf die Pflastersteine warf, nicht übersehen.
    Minuten verstrichen, während er sich mit schmerzhafter Langsamkeit über die Straße schob. Die Stadt dahinter war still, unnatürlich still. Ein Labyrinth, das die Jäger

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