Im Bann des Adlers
anderen Körper wärmen solle.
Na ja, schaden konnte es jedenfalls nicht. Nachdem die Temperatur durch das Feuer nun auch merklich anstieg, würde sie ohne Kleidung nicht frieren. Behutsam schälte er ihren ausgemergelten und geschundenen Körper aus dem Pullover und der Tunika. Wie vermutet, waren an ihrem Rücken schon Prellungen und Abschürfungen durch die Rettungsaktion zu erkennen.
„Es tut mir so leid. Bitte nimm es mir nicht all zu Übel.“ Bat er um Vergebung, während er sich selbst entkleidete. Eng schmiegte er sich unter den Decken an sie und sofort überrollte ihn eine Woge des Begehrens. Seiner Männlichkeit schien es ziemlich egal zu sein, dass Jessica hilflos und mit dem Tod ringend neben ihm lag. Doch seinem Gewissen war es das nicht. Schnell rückte er ein Stück ab, legte aber trotzdem seinen Arm um ihre Mitte um zumindest etwas Wärme abzugeben. Mit der Zeit spürte er, dass Jessicas Körpertemperatur langsam anstieg. Wie zum Zeichen, dass dies keine Einbildung war, regte sie sich kurz und seufzte auf. Doch so schnell, wie dieses Lebenszeichen aufflackerte, war es auch wieder verschwunden und Victor wurde klar, es konnte lange dauern bis seine Liebste nicht mehr dem Tod näher, als dem Leben war. Er kroch aus dem Lager. Sorgsam benetzte er immer wieder ihre Lippen, denn der Schluckmechanismus funktionierte noch nicht. Einsam bereitete er sich ein leichtes Abendessen aus einer Dose Erbsen und Möhren mit Brötchen zu. Als er dieses verspeist hatte, legte er sich wieder zu der wunderschönen Frau ins Bett und hoffte inständig, dass es ihr am folgenden Tag ein bisschen besser gehen möge.
Kapitel 70
Riboz
Die Tage, nachdem Hernandez auf eigene Faust aufgebrochen war um die Frauen aus dem Anwesen der Sekte zu holen, entwickelten sich für alle zur Bewährungsprobe. Riboz befragte noch einmal Mercedes in allen Einzelheiten, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wie schwer es ihr fiel, über die Ereignisse von damals zu reden. José, der natürlich mit der Gepeinigten fühlte, konnte es dem Beamten trotzdem nicht verübeln. Er erhoffte sich irgendeinen Angriffspunkt zu finden, oder eine Möglichkeit, doch noch in das Geschehen einzugreifen. Aber auch am Ende des dritten Tages stellte sich die Sachlage nicht anders dar.
Durch die Aussage von Hernandez‘ Freundin und weil Maria die eingeschleuste Polizistin sich nicht mehr meldete, hatte man den Verdacht gegen José sozusagen stillschweigend auf Eis gelegt. Zumindest Magistrado Riboz schien in diese Richtung nicht mehr zu ermitteln. Bei Perron war sich José nicht sicher. Ab und an machte dieser so komische Andeutungen, als traue er Jessicas Freund nach wie vor zu, mit ihrem Verschwinden etwas zu tun zu haben. Sehr frustrierend.
Zum wiederholten Male saßen die drei nun in dem engen Büro von Perron und führten immer die gleiche Diskussion. „Morgen stürmen wir das Gebäude.“ Sagte Riboz wieder einmal.
„Das geht nicht. Das habe ich doch nun schon oft genug erklärt. Wir können es uns nicht leisten noch mehr Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Dieser Mann ist anscheinend zu allem fähig. Wenn er Wind von der Sache kriegt, sterben alle.“ Konterte Perron aufgebracht. „Aber wie soll er denn davon erfahren? Möglicherweise sind unsere Vermissten ja auch schon längst tot. Woher wollen wir denn wissen, ob noch jemand am Leben ist? Selbst Hernandez könnte, pérdon José, inzwischen schon tot sein, oder habt ihr etwas von ihm gehört?“ Verteidigte sich sein Kollege. José, der ohnehin schon mit den Nerven am Ende war, platzte der Kragen. „Wie oft habe ich in den letzten Tagen schon gesagt, die Polizei soll handeln und sich nicht bekriegen?“ Damit stürmte José aus dem Raum. Zurück blieben schulterzuckend die zwei Streitenden. Es war eine Pattsituation. „Ich verstehe es einfach nicht. Normalerweise sind doch Sie immer derjenige mit der offensiven Vorgehensweise. Warum halten Sie mich jetzt zurück? Was haben wir denn schon zu verlieren?“ Wagte Riboz noch einen Vorstoß. „Einiges, nämlich all die anderen Menschen in diesem Anwesen. Verstehen Sie doch endlich, dass mit diesem Geronimo nicht zu spaßen ist. Selbst wenn wir stürmen und ihn raus holen, was, wenn die Anderen tatsächlich tot sind? Ohne Beweise keine Verurteilung, so einfach ist das. Die Aktion mit Maria war ein Alleingang und kann somit für die offizielle Anklage nicht verwendet werden. Klug, wie der Mann zu sein scheint, kann es Monate dauern bis wir Leichen
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