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Im Bann des Adlers

Im Bann des Adlers

Titel: Im Bann des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianina Baloff
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schlängelte. Meinen Pullover band ich mir um die Hüften, da es merklich wärmer wurde, je weiter wir ins Tal kamen. Auch Victor war inzwischen nur noch im T-Shirt unterwegs. „Endlich, da vorne geht’s raus!“, stellte er am späten Nachmittag fest.
    Ich jauchzte vor Freude, denn meine Kräfte waren bereits aufgebraucht. Ich war wohl doch noch nicht ganz gesund. In dem kleinen Wächterhäuschen am Ein- bzw. Ausgang saß schnarchend ein dicker Mann. Lautlos schlichen wir uns an ihm vorbei. Der Wagen stand Gott sei Dank in einer der hinteren Reihen, sodass er das Öffnen und Schließen der Türen nicht sofort mitbekam. Im Wageninneren atmeten wir erst einmal erleichtert auf. Victor umarmte mich kurz und küsste mich ungestüm auf den Mund, bevor er den Motor startete. „Nichts wie weg hier, bevor uns noch jemand in die Quere kommt.“ Mit quietschenden Reifen fuhren wir davon.
    Die Fahrt nach Valencia dauerte zwei Stunden. Eigentlich Zeit genug, um wieder in der Wirklichkeit anzukommen. Doch so sehr ich mich auch bemühte, schien mir plötzlich alles fremd und unwirklich. Es war als erwache ich hundert Jahre später aus einem Dornröschen Schlaf. Während der ganzen Autofahrt hielt Victor meine Hand. Er war mein Anker an dem ich mich festklammerte um nicht zu ertrinken. Aber ich wusste auch, dass ich ihn bald loslassen und um mein Leben schwimmen musste. Mir graute vor dem Moment.
    Als wir dann tatsächlich vor dem Polizeirevier parkten, schwappte eine Welle der Übelkeit über mich hinweg. Den Motor bereits ausgestellt saß Victor ebenfalls leichenblass neben mir. Der Moment der Wahrheit war gekommen. „Noch haben wir die Wahl mi Amor.“ Sah er mich flehentlich an. Aber meine Entscheidung stand fest. Mit zusammengepressten Lippen schüttelte ich den Kopf und öffnete die Tür. Hätte ich jetzt etwas sagen müssen, wäre ich in Tränen ausgebrochen. Stumm stieg ich deshalb aus und eilte ohne mich umzusehen, die Treppe nach oben. Bereits am Eingang hatte er mich eingeholt und öffnete mir die Tür. Wie üblich versammelten sich in der Vorhalle die festgenommenen Landstreicher und Prostituierten. Wir gingen an den Empfang und fragten, ob es jemanden gäbe, der für den Fall einer Vermissten Namens Korbmann zuständig wäre. „Einen Moment, ich sehe mal nach.“ Antwortete eine gereizte Beamtin und tippte eifrig in den Computer. Dann griff sie zum Telefon, murmelte einige unverständliche Sätze, und lauschte dann der Antwort. Den Hörer etwas zu energisch auflegend, informierte sie uns, dass gleich ein Polizist zu uns kommen würde. Wir setzten uns etwas abseits an den Rand der Wartehalle.
    Ich vermied es meinen Begleiter anzusehen, oder zu berühren. Vielleicht aus Angst dann doch einfach aufzustehen und alles hinter mir zu lassen. Den Blick fest auf meine verschränkten Hände in meinem Schoss gerichtet, bemerkte ich den Mann erst, als er uns ansprach. „Sind Sie wegen des Falles Korbmann hier?“ Als ich aufsah, bemerkte ich sofort das Aufflackern des Erkennens in seinen Augen. Der Beamte vor mir war etwas untersetzt und nicht sonderlich groß, vielleicht eins sechzig. Aufgrund der grau werdenden Schläfen und tiefen Falten um Mund und Augen schätzte ich sein Alter ungefähr auf Anfang fünfzig. Aber er hatte einen gutmütigen Gesichtsausdruck und war mir sofort sympathisch.
    „Das glaube ich ja nicht, sind Sie es wirklich?“, fragte er deshalb auch. „Ja“, antwortete ich. „Mein Name ist Jessica Korbmann und ich bin am Leben.“ Verblüfft und erfreut zugleich reichte der Mann mir die Hand und stellte sich vor. „Ich bin Magistrado Perron, mehr als erfreut Sie kennen zu lernen Señora. Bitte folgen Sie mir doch in mein Büro, wir haben viel zu besprechen. Übrigens darf ich erfahren, wer Sie sind?“ Damit sprach er Victor an. „Ich heiße Victor del Rio und bin der Sohn von Geronimo, falls Ihnen das etwas sagt.“ „Oh!“ unsicher sah der Magistrado sich um, aber niemand schien von uns Notiz zu nehmen. „Ich denke alles Weitere besprechen wir an einem weniger turbulenten Ort.“

Kapitel 85
    José
    José hatte wie versprochen vom Geschäft aus beim Zollamt angerufen. Er wollte mit dem Mann, der dort immer seine Ein- und Ausfuhr regelte, jedoch nicht am Telefon über solch ein brisantes Thema reden. Sie verabredeten sich für den frühen Nachmittag in einem der vielen Cafés im Barrio del Carmen. Pünktlich erschien sein Gesprächspartner und setzte sich zu ihm an einen Nischentisch. Sie

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