Im Bann des Adlers
diente, stand mitten im Raum. Dort ließ ich mich auf einen Stuhl sinken und verspeiste mein Mahl. Immer wieder schlich sich Victor in meinen Kopf, während ich aß. Sonst lief er mir ständig über den Weg, oder suchte meine Nähe. Hatte er begriffen, wie sehr mich sein Handeln verletzt hatte? Ging er deshalb auf Abstand zu mir? Fast tat es mir schon wieder leid, ihn so hart zurechtgewiesen zu haben. Nachdem ich fertig war, beschloss ich ihn zu suchen. Mir war klar geworden, dass es keinen Sinn machte, ihm aus dem Weg zu gehen. Deshalb konnte ich die Situation auch gleich mit ihm bereinigen. Wie auch immer diese Klärung aussehen sollte. Zuerst versuchte ich es oben in seinem Zimmer. Doch, wie beim letzten Mal, reagierte niemand auf mein Klopfen und leises rufen. Er hätte mir mit Sicherheit geantwortet. Ziellos streifte ich durch das Haus. Da fielen mir der Kleiderraum und die dort verborgene Tür ein. Vielleicht war er ja im Garten.
In der Vorhalle, hörte ich aus einem der Gemeinschaftsräume Stimmen und gleich darauf das gurrende Lachen einer Frau.
Keine Ahnung, was mich dazu bewegte, vielleicht die Annahme Victor da drin zu finden. Jedenfalls öffnete ich die Tür und lugte durch einen kleinen Spalt. „ Unmöglich, ich träume immer noch“. Dachte ich verwirrt, während meine Augen tatsächlich den Adler mit einer wunderschönen dunkelhaarigen Frau erblickten. Die Beiden wälzten sich mitten im Liebesspiel auf den überall im Raum verteilten roten Kissen.
Unbemerkt schlüpfte ich leise in den Saal und verbarg mich hinter einem breiten Vorhang in der Ecke. „ Was zur Hölle tue ich hier eigentlich?“ Ich wollte weder hier sein, noch mir dieses Lustspiel antun. Dennoch blieb ich, wo ich war, und beobachtete gerade, wie die Frau es bevorzugte, hart von hinten genommen zu werden. Sie war mir hier noch nicht begegnet. Was mich zu der Frage brachte, wer sie war. Während ich noch darüber nachdachte, wie diese Person hierher passte und warum der Adler Sex mit ihr hatte, waren die Zwei endlich zum Ende gekommen. Erleichtert stieß ich die angehaltene Luft aus.
Dummerweise war gerade jetzt der Zeitpunkt, um wieder nach draußen zu gehen, denkbar schlecht. Mir blieb also nichts anderes übrig, als die Zwei, beim Turteln zu beobachten. Was gesprochen wurde, war, aufgrund des dicken Vorhanges und der Entfernung, fast nicht zu verstehen. Aber soweit ich dem Gespräch entnahm, hatten sie wohl, beide Gefallen an ihrem Tun. Ein Bild von Victor und mir in einer ähnlichen Situation blitzte vor meinem inneren Auge auf. Schnell schüttelte ich die Erinnerung daran ab. Es war wirklich dringend notwendig, dass ich mit ihm redete. Durch meinen kurzen Tagtraum abgelenkt, bemerkte ich zu spät die Klinge in Geronimos Hand. Ehe ich auch nur hätte schreien können, durchtrennte er der Frau die Kehle.
Mich würgte und ein Impuls drängte mich, auf der Stelle hinzulaufen. Doch meine Vernunft hielt mich zurück. Eine Sekunde später spürte ich den sanften Windhauch, als der Adler an mir vorbei und aus dem Raum ging.
Sofort eilte ich zu der ausblutenden Frau. Um ihren Kopf breitete sich schon eine riesige Lache aus. Mir war klar ich konnte nichts mehr tun, außer sie im Sterben begleiten. „Warum nur? Warum hat er das getan? Wer sind Sie?“ Die Frau gurgelte als bemühte sie sich mir meine Fragen zu beantworten. Aber es kostete sie den letzten Hauch ihres kostbaren Lebens. „Nein!“, brüllte ich und rüttelte den Körper. Ich bemerkte gar nicht, dass meine Hände und Kleider dadurch ebenfalls voll geblutet wurden. Hartes schluchzen beutelte mich.
Plötzlich wurde ich von hinten gepackt und nach oben in eine feste Umarmung gezogen. Victor!
Er hielt mich einfach wortlos fest. Nachdem wir eine Weile so standen, machte ich mich von ihm los. „Ich werde diesen Psychopathen jetzt endgültig zur Rede stellen.“ Wütete ich und machte einen Schritt an ihm vorbei. Doch er griff mich am Arm. „Du weißt genau, dass dann auch dein Leben verwirkt ist. So läuft das hier, begreif es endlich. Jeder der Geronimo in die Quere kommt, bezahlt das mit seinem Leben. So wie sie.“ „Kennst du sie denn?“, erwiderte ich verwirrt. „Nein, nicht wirklich. Sie ist heute Morgen hier angekommen und erzählte mir sie hätte sich verlaufen. Wäre ja im Bereich des Möglichen. Während ich ihr die Gärten zeigte, habe ich ihren Rucksack überprüfen lassen. Geronimo hat davon Wind bekommen und das Handy von Maria, so heißt sie, gefunden.“
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