Im Bann des Adlers
du hier oben, oder suchst dir eine Übergangslösung weiter unten. Viele bleiben dann nach dem Winter einfach weg und kommen nie wieder.“
Die Aufgabe etwas über den Orden zu erfahren, schien fast unlösbar, wenn kaum noch jemand von damals hier wohnte. Buchstäblich die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. „Kann ich mir denn das Haus ansehen?“ tastete er sich noch einmal vor. „Im Prinzip schon. Ich rate Ihnen aber trotzdem davon ab. Es ist baufällig und morsch, weil es zum Großteil aus Holz ist. Kann also gut sein, dass Ihnen ein Balken auf den Kopf fällt. Keiner geht mehr da rein.“ Hernandez bedankte sich für die Auskunft bei der netten Dame und begab sich trotz ihres Abratens zu der Halbruine.
Vor der Haustür machte sich ein flaues Gefühl in seiner Magengegend breit. „Wenn ich jetzt da reingehe und mir fällt tatsächlich etwas auf den Kopf, findet mich niemand.“, dachte er. Sicherheitshalber sendete er deshalb eine Nachricht per Handy an Riboz, dass er ein altes Gemäuer etwas abseits gefunden hatte und nun durchsuchen würde. „Wenn jetzt was schief geht, weiß er wenigstens, wo er mich suchen muss.“ Beruhigte er sich selbst, während er die ächzende Holztür aufstieß und über die Schwelle trat. Im Inneren war es dunkel. Die Luft war abgestanden und es roch nach Kot von allerlei Tieren. Durch die geschlossenen Läden fielen hier und da ein paar Sonnenstrahlen, was dem Ganzen eine eher unwirkliche Atmosphäre gab. Beklommenheit machte sich in ihm breit. Haufenweise lagen Müll und zerbrochene oder umgestoßene Möbel herum. Auf den ersten Blick sah es hier nicht nur verlassen aus, sondern auch als hätte ein Krieg stattgefunden.
Das ganze Ausmaß der Verwüstung wurde erst deutlich in den angrenzenden Räumen. In den Wänden waren riesige Löcher, wie mutwillig von einer Axt hineingeschlagen. Überall auf dem Boden oder an den Wänden entdeckte er dunkle Spritzer oder Schleifspuren, von irgendeiner Flüssigkeit. Seine Fantasie spielte ihm schon Streiche, denn sofort dachte er an Blut, wie in einem schlechten Horrorfilm. Er entdeckte alte Brandspuren. Sogar die Decke war nicht mehr intakt. Vielleicht hatten schon einige vor ihm das Haus besucht und waren eingebrochen. Bei dem morschen Zustand nicht verwunderlich. Die Señora aus dem Laden hatte nicht übertrieben. Trotz seiner Angst irgendwo stecken zu bleiben, riskierte er es die nur noch halb vorhandene Holztreppe zu erklimmen, um einen Blick in das obere Stockwerk zu werfen. Hier sah es fast noch schlimmer aus als unten.
Total vermoderte und zerfressene Matratzen und Polstermöbel lagen wüst verstreut im Gang und in den Zimmern. Vorsichtig tastete Hernandez sich am Rand der oberen Wand entlang immer einen Fuß vor den anderen setzend, mit so wenig Belastung wie möglich. Auch hier fielen ihm wieder vermehrt dunkle Flecken und Spuren von Feuer auf. Mal größer mal kleiner. Zersplittertes Glas knirschte unter seinen Schuhen. Offensichtlich sind die Fenster zerbrochen. Er wusste nicht genau, was er sich erhofft hatte. Vielleicht einen Altar oder eine alte Kapelle. Irgendeinen Hinweis darauf, dass hier einmal eine gläubige Gemeinschaft gelebt haben könnte. Aber auf dieses Chaos konnte er sich nicht wirklich einen Reim machen. Vielleicht schlichen sich ja abends die Jugendlichen hierher und feierten wilde Partys. Das erklärte zumindest den Müll und die Zerstörung. Nicht aber die Flecken. Obwohl er eigentlich nichts entdeckte was ihm hätte helfen können, war ihm dieser Ort unheimlich. Langsam trat er den Rückzug ins Freie an und machte sich nachdenklich auf den Weg zurück in sein Quartier. Es tat gut, wieder an der frischen Luft zu sein. Ziemlich gierig sog er ein paar Mal die saubere Bergluft ein.
„Na wieder gut zu Fuß?“ Holte ihn die Stimme von Mercedes aus seinen Gedanken. „Oh, ich habe Sie ja gar nicht bemerkt.“ Antwortete er erstaunt. „Das glaube ich gern, so sehr waren Sie mit atmen beschäftigt. Ist die Luft in Valencia so schlecht?“ Er lachte herzlich über ihren Verdacht. „Nein, ganz und gar nicht, wir haben ja das Meer vor der Tür. Ich komme gerade aus dem verlassenen Haus da hinten und glauben Sie mir, danach würden auch Sie ein paar Mal tief durchatmen!“ Er bereute es augenblicklich dieses Geständnis gemacht zu haben, denn die Augenbrauen der Frau schnellten in die Höhe und Zorn machte sich in ihrem Gesicht breit. „Was treibt Sie denn dazu, in diese baufällige Bude zu gehen? Ist Ihnen klar,
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