Im Bann des blauen Feuers
braucht dich nicht zu interessieren“, hatte Hemon zum Abschied gesagt. „Wenn du diese Aufgabe zu unserer Zufriedenheit erfüllst, darfst du wieder ins Elysium zurückkehren. Das ist alles, was du wissen musst.“
Hemon hätte ihn besser kennen müssen, als zu glauben, dass er sich so leicht abspeisen lassen würde. Zuerst wollte er nur herausfinden, was wirklich hinter dieser ganzen Sache steckte, und versuchen, einen Vorteil daraus zu schlagen. Doch inzwischen lagen die Dinge anders.
Vollkommen anders.
Er musste sich zwingen, die Hand, die fast ihr Gesicht berührte, sinken zu lassen. Es fiel ihm schwerer als irgendetwas, das er jemals getan hatte. Doch er durfte nicht zulassen, dass ein paar Minuten der Schwäche alles zerstörten. Er spürte, wenn er Céleste jetzt an sich herankommen ließ, dann würde es für ihn kein Zurück mehr geben. Und das konnte er nicht riskieren.
Es war besser so – für sie beide.
Zumindest versuchte er, sich dies selbst einzureden. Wirklich daran glauben konnte er nicht.
„Du … Du solltest versuchen, ein bisschen zu schlafen“, sagte er und wich Célestes Blick aus, damit sein Vorsatz nicht ins Wanken geriet. Mühsam erhob er sich, doch dank der ihm verbliebenen Selbstheilungskräfte war der Schmerz in dem einen Bein von einem wütenden Brüllen zu einem unangenehmen Pochen geworden – und auch das würde im Laufe der Nacht noch verschwinden. „Du kannst das Bett haben. Ich denke in der Zeit darüber nach, wie es weitergehen soll.“
Er trat hinaus auf den winzigen Balkon des Raumes. Doch kaum, dass sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, lehnte er sich aufstöhnend an die Wand und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Nie zuvor hatte er sich so hin- und hergerissen gefühlt. Er wusste einfach nicht mehr, was richtig war und was falsch. All seine Ideale, die er ein Leben lang verfolgt hatte, schienen plötzlich infrage gestellt zu sein. Erbarmungslos und ohne Gnade war er gegen alle Andersartigen vorgegangen. Er hatte sie gejagt und zur Strecke gebracht und war dabei der Ansicht gewesen, damit etwas Gutes für die Allgemeinheit zu tun. So war es eben: Es musste immer auch jemanden geben, der die weniger schöne Arbeit erledigte. Jemand, der sich nicht dafür zu schade war, sich selbst die Finger schmutzig zu machen.
Ash hatte diese Rolle gern übernommen. Und nun brachte Céleste – ein Mensch! – sein ganzes Weltbild ins Wanken.
Was sollte er tun?
Du bist heute Nacht beinahe gestorben – das kann selbst den Besten aus der Bahn werfen. Aber du solltest nicht vergessen, warum du hier bist!
Hemon hatte ihn beauftragt, sie zu finden. Nun, dieser Teil des Jobs war Ash aufgrund seiner ihm noch gebliebenen Fähigkeiten nicht allzu schwer gefallen. Doch anstatt die Sache gleich zu Ende zu bringen und Céleste den Cherubim zu übergeben, hatte er abgewartet.
Er wollte herausfinden, warum diese menschliche Frau für die Heerscharen des Lichts so bedeutungsvoll war, dass man dafür in Betracht zog, einen Ausgestoßenen wieder in die eigenen Reihen zurückzulassen.
Die Antwort auf diese Frage kannte er jetzt – zumindest ansatzweise. Und ihm war ebenfalls klar, warum auch die Mächte der Finsternis hinter Céleste her waren. Es ging ihnen nicht um die junge Frau selbst. Nein, alle wollten die Kontrolle über dieses blaue Feuer erlangen, das tief in ihr schlummerte. Céleste war nur der Wirt. Niemand interessierte sich wirklich dafür, was aus ihr wurde.
Na und? Das ist nicht dein Problem, oder?
Er atmete tief durch.
Im Grunde konnte es ihm egal sein, was mit Céleste passierte. Sie war nur ein Mensch. In diesem Augenblick bevölkerten mehr als sechs Milliarden davon die Erde – was bedeutete da schon das Schicksal eines Einzelnen?
„Mach dir doch nichts vor“, erklang auf einmal Dominikus’ Stimme in seinem Kopf. „Es mag sein, dass die Welt sich weiterdreht, ganz gleich, was auch mit Céleste geschehen mag. Aber dir ist sie nicht egal!“
Warum um Himmels willen tauchte Dominikus gerade jetzt auf? Wollte er sich daran laben, dass er, Ash, plötzlich selbst im Begriff war, sich in einen Menschen zu verlieben?
Unwillig schüttelte Ash den Kopf. „Ich brauche sie, um mein altes Leben zurückzubekommen – nichts weiter“, knurrte er.
„Und dann?“, meldete sich erneut die Stimme seines alten Kontrahenten. „Glaubst du wirklich, du kannst Céleste so einfach ihrem Schicksal überlassen? Willst du einfach wieder auf die Jagd gehen und so tun,
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