Im Bann des Feuers Drachen2
argwöhnisch, die Muskeln gespannt, bereit zum Sprung.
»Was sprichst du da?«, flüsterte sie.
»Die Drachen rufen!«, antwortete ich und zog den Eunuchen weiter, dem Licht entgegen.
Die Stallungen waren nichts als Gift, Stein und gelbe Streu, klebrig von schimmeligem Gift. Licht strahlte von Fackeln, die an den von Gift schwitzenden Wänden flackerten, und verbannten jeden Schatten. Vier Stallboxen, vier Drachen. Vier Schnauzen, die unter schrägen, bernsteingelben und starren Augen schnauften. Fünf Drachenjünger, die ihre Strophen sangen, während sie ölgetränkte Wedel über den Köpfen zweier Frauen schwangen, die unterwürfig vor ihnen knieten. Jeder Drachenjünger sang eine andere Strophe, und ihre murmelnden Stimmen schienen sich zu einer zu verbinden, wie Wellen, die von gegenüberliegenden Ufern eines Sees aufeinandertreffen.
Ich mache dich zu Meinesgleichen,
ungeachtet dessen, was kommen muss,
wenn dein Glück sich wendet
mit dem Lauf der Zeit.
Meine Schande!
Die Worte drangen zischend aus meinem Mund, so prachtvoll und schockierend wie Parfum und Perlen, Ebenholz und Kokosnüsse, so bedrohlich wie die wogende See, über welche Schiffe diese unterschiedlichen Schätze trugen.
Die Drachenjünger unterbrachen ungläubig ihren Singsang. Und die Blicke der Drachen bohrten sich in meine Augen.
Sie waren knochig, vernachlässigt, zitronengelbe Narben liefen wie anklagend ausgestreckte Finger über ihre Flanken, dort, wo ihnen nach ihrem Schlüpfen die Schwingen amputiert worden waren. Ihr Rückgrat, ihre Brust und ihre Augenränder traten deutlich hervor. Schuppen im dumpfen Grün von Wüstenkakteen und dem Braun von getrocknetem Blut hingen so locker wie faule Zähne auf ihrer faltigen Haut. Der faulige Gestank von Druckwunden auf den Tatzenballen lag unter dem starken Geruch des Giftes.
Worte drangen aus meinem Mund, wie Drachenseide, die vom Wind erfasst und emporgerissen wird.
Ich sah, was ich niemals im Leben zu erblicken hoffte,
den Hund, der mich verriet, wohlgenährt und gepflegt,
die schwarzen Schlangen herausgeputzt,
die Guten sich nach dem Tode sehnend.
Großmutter und Sutkabde starrten mich an, aus ihrer knienden Haltung, während ihnen das heilige Öl von ihrem langen, dünnen Haar tropfte, ihre bleichen Gesichter mir zugewandt, wie Orchideen sich dem Licht zuwenden.
»Was ist das für eine Blasphemie?«, zischte einer der Drachenjünger. »Eunuch, weise dein Mündel zurecht! Ist sie verrückt geworden? Sie soll knien; wie kann sie es wagen, die Luft mit ihrer Stimme zu verunreinigen?«
Der Eunuch stieß mich nach vorn, wütend vor Angst, und zwang mich, neben Großmutter und Sutkabde zu knien. Misutvia kniete sich neben uns. Ihre Augen waren unter ihren gesenkten Lidern verborgen.
»Was für eine Anmaßung!«, knurrte einer der Drachenjünger. »Benimmt sie sich immer so?«
Ich erschauerte furchtsam, als ich mich an die Baracke der Wächter erinnerte, an den Folianten, in dem der Eunuch den Tadel hinter unsere Namen notierte. Welcher Wahnsinn hatte mich gepackt, so zu reden?
»Heilige Hüter des Ranon ki Cinai«, murmelte der Eunuch, der vor den Drachenjüngern einen Kotau machte. »Sie hat sich nie zuvor so verhalten.«
»Das liegt am Gift«, meinte einer der Drachenjünger. Seine Stimme klang überzeugt und selbstgefällig ob seiner Klugheit. »Ich habe andere gesehen, die so reagierten, manchmal. Der Kanon der Medizin empfiehlt in diesen Fällen den Saft von Sellerie und Honig, gemischt mit Galangale und mit dem Blut eines Mauseohrs, als Gegenmittel gegen dieses Giftfieber. Falls diese Medizin versagt, folgt Zungenamputation, dazu dreimal täglich weißer Pfeffer, der auf den Stumpf aufgetragen wird.«
Die anderen Drachenjünger grunzten beifällig.
»Ich bereite die Tinktur sogleich zu, heilige Hüter«, murmelte der Eunuch. »Ich bezweifle, dass sie einer Zungenamputation bedarf, werde jedoch nicht zögern, sie nötigenfalls durchzuführen. Aber du machst keinen weiteren Ärger, nicht wahr, Naji?«
Seine korpulente Gestalt beugte sich über meine Schulter, und er kniff mich hart in den Rücken, über meinem Gesäß.
»Vergebt mir meine Anmaßung«, murmelte ich und warf mich zu Boden.
Erneut grunzten die Drachenjünger.
Der Eunuch verschwand. Nach einem Moment setzten die Drachenjünger ihre Anrufung fort, während sie mit feisten Lippen in den aufgequollenen Gesichtern die heiligen Strophen rezitierten. Ihre Wedel spritzten das geweihte Öl über meinen Kopf,
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