Im Bann des Feuers Drachen2
von einer Wand, schüttelten den Staub heraus, rollten ihn zu einem Tau zusammen, schoben ihn hindurch und warteten, bis er sich vollgesogen hatte. Als er schließlich schwer von Wasser war, zogen wir ihn zurück und wrangen das Wasser aus. Es war eine mühsame Arbeit, die nur wenig Trinkwasser einbrachte. Sutkadbe saugte das Tuch aus, nachdem wir es ausgewrungen hatten, weigerte sich jedoch zu helfen und bekam folglich auch nichts zu trinken. Großmutter saß derweil da und hatte uns resolut den Rücken zugekehrt.
Es wurde Abend.
Erschöpft und kurz davor, erneut in die Passivität der Verzweiflung zu verfallen, ließen wir von unseren Bemühungen ab. Draußen fegten Windstöße gegen den Blätterwald. Jede von uns hatte weniger als zwei Löffel Wasser getrunken, und dennoch fiel das Wasser in berauschendem Überfluss vom Himmel, nur außerhalb unserer Reichweite. Ich schlurfte zu meiner Nische, rollte mich zusammen und stopfte mir die Finger in die Ohren, um das höhnische Prasseln auszuschließen.
Im selben Augenblick wurde ich mir des Geistes bewusst, der in seinem Kokon in meinem Bauch eingesperrt war.
Die Membrane, die ihn einschlossen, waren so dünn wie die Haut eines Neugeborenen. Ich hatte schon viele Tage ohne Gift auskommen müssen, und der Geist in mir war immer stärker geworden. Wäre alles normal verlaufen in der Viagand, hätte der Eunuch an diesem Tag Misutvia, Großmutter, Sutkabde, die neuen Frauen und mich zu den Stallungen geführt. Als der Geist die Veränderung aufgrund des unerwarteten Mangels an Giftnachschub spürte, tobte er umso heftiger in meiner Psyche.
Er würde mich bald besiegen und mich dann in meiner eigenen Haut einkerkern. Dann wäre ich zwiefach gefangen: von Stein und von der Boshaftigkeit eines gestörten Geistes.
Ich kroch aus meiner Nische, weil ich zu viel Angst hatte, um allein sein zu können.
Misutvia war noch nicht in ihre Nische zurückgekrochen. Sie lehnte an der Wand unter dem Fensterschacht, neben den aufgestapelten Diwanen, einen Teppich über die Schultern geschlungen. Ohne ein Wort sackte ich neben ihr zusammen.
»Es ergibt keinen Sinn«, sagte Misutvia, deren Worte mich aus meiner Betäubung rissen. »Warum sollten sie uns einmauern, wenn sie unseren Tod wollen? Warum enthaupten sie uns nicht einfach oder überlassen uns der Willkür der Wächter?«
Ich zuckte mit den Schultern. Zum Denken war ich zu erschöpft. Ich schloss die Augen, sah jedoch nur Stein. Steinmauern über mir, neben mir, um mich herum, die mich von Wasser, von Licht und vom Leben fernhielten …
Ich riss die Augen auf.
»Sie verbergen uns!«, sagte ich und richtete mich auf, als ich die Wahrheit meiner Worte begriff. »Sie haben dasselbe mit den Stallungen der Brutdrachen getan. Sie haben die Drachen ebenfalls eingemauert.«
»Was meinst du damit, ›sie verbergen uns‹?«, fragte Misutvia verbittert. »Vor wem denn? Niemand kennt diesen Ort; die ganze Feste liegt im Dschungel versteckt.«
»Jemand ist hier. Jemand, der nicht hier sein sollte. Jemand, den man nicht ermorden kann, um sein Schweigen zu gewährleisten. Sie haben uns eingemauert, um uns zu verstecken und um den Zweck dieses Ortes zu verheimlichen.«
»Als wenn nicht allein die Abgeschiedenheit und Anlage dieses Ortes seinen wahren Zweck verraten würde.«
Ihr verächtlicher Ton veranlasste mich, meine Schlussfolgerung zu verteidigen. »Nicht notwendigerweise, nein. Drachenjünger und Tempelbonzen verschanzen sich immer hinter Mauern …«
»Aber nicht im Herzen des Dschungels. Heilige Hüter lieben ihre Bequemlichkeiten, Zarq. Ein solch nüchterner Ort wie dieser hier würde kaum jemandem in den Sinn kommen, außer vielleicht den glühendsten Eiferern …« Sie unterbrach sich unvermittelt, und ich fühlte, wie ihr Puls sich beschleunigte, als liefe ein Blitz über ihre Haut.
»Ein Mobasanin«, stieß sie keuchend hervor. »Sie haben uns eingemauert, damit dieser Ort hier wie ein Mobasanin aussieht.«
»Ein was?«
»Eine Zufluchtsstätte für fanatische Drachenjünger, die Läuterung durch Abgeschlossenheit suchen. Es sollen recht nüchterne Orte sein, die immer im dichtesten Dschungel liegen.«
»Dann ist es genau das«, erwiderte ich. »Das haben sie gemacht. Aber wer hat den Ort aufgespürt, wenn sie seinen wahren Zweck verstecken müssen?«
Wir schwiegen, während wir angestrengt nachdachten.
»Mein Bruder«, stieß Misutvia schließlich bebend hervor. »Malaban ist gekommen, um mich zu holen!«
Sie
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