Im Bann des Feuers Drachen2
Kratzen von Rechen auf Sand, das Klirren von Mistgabeln auf Stein, das Murmeln von Wasser, Rumpeln von Rädern, Quietschen von Achsen. Scherzende Stimmen in einem Spiel von Frage und Antwort, dann wieder andere, die befahlen und organisierten. Beruhigende Geräusche.
Im Verein mit der Hitze und der Magie, mit welcher die Feder, die in meine Haut eingedrungen war, mich eingehüllt hatte, wiegten mich diese Klänge in einen erholsamen Schlaf.
Magie. Ja.
Zweifellos war etwas Überirdisches geschehen, als diese leuchtende Feder sich in Dunst aufgelöst und sich auf meine Haut gelegt hatte, denn als ich erwachte – es herrschte bereits Zwielicht -, fühlte ich mich weder hungrig noch durstig, weder steif noch wund, und die blutigen Striemen auf meinem Rücken waren nur noch zarte Schwellungen, die durch den Heilprozess heftig juckten.
Ich wagte es, vorsichtig meinen Rücken an den Silo hinter mir zu lehnen. Kein flammender Schmerz, keine Qual war zu spüren, als meine Haut das sonnengewärmte Holz des Silos berührte.
Dafür jedoch hörte ich ein ersticktes Lachen.
Mein Kopf ruckte herum. Der Drachenmeister hockte im Schatten, genau dort, wo der Aasgeier am frühen Morgen gestanden hatte. Er rieb sich die Hände, und seine Augen schimmerten im Zwielicht.
»Ein gerissenes kleines Rishi-Balg, heho?«, keckerte er. »Gut gemacht.«
Die unnatürliche Heilung meines Körpers fühlte sich plötzlich besudelt an, entweiht von seinem sichtlichen Vergnügen.
»Wo soll ich pissen?«, fuhr ich ihn an.
Sein selbstgefälliges Grinsen erlosch und seine Miene verfinsterte sich. Er stand auf. »Das ist nicht meine Sorge.«
»Das wird aber Eure Sorge sein, wenn ich anfangen muss, hier überall hinzupinkeln. Wie sehr wollt Ihr den Tempel verärgern?«
Er machte einen Satz auf mich zu und gab mir eine Ohrfeige. Mein Kopf flog zurück und knallte gegen den Silo. Dieser plötzliche, unerwartete Schlag hinterließ ein brennendes, stechendes Gefühl; es rauschte mir in den Ohren und summte wie Hornissen in meinem Kopf.
Er stieß die geballte Faust in die Luft, als müsste er sich beherrschen, um mich nicht noch einmal zu schlagen, und er verdrehte kurz die Augen.
Ich starrte ihn an und wagte nicht zu atmen.
»Du bist sterblich, Tochter des Himmelswächters«, stieß er schließlich schwer atmend hervor. Er ließ die Hand sinken. »Vergiss das nie. Du bist sterblich, und du bist meiner Autorität unterworfen!«
Ich berührte behutsam meine brennende Wange, und die Tränen, die mir in die Augen getreten waren, verschleierten meinen Blick.
Sein Gesicht verzerrte sich, und fast wie aus eigenem Willen flog seine Hand empor, als wollte sie mich erneut schlagen.
»Deine Antwort lautet: ›Jawohl, Komikon!‹«
»Jawohl, Komikon«, keuchte ich. Jawohl, Meister.
Er beugte sich vor, sein Gesicht unmittelbar vor meinem; sein Kinnbart schwang wie ein Rattenschwanz über meinen Hals, sein Atem stank stechend wie Galle. »Man kann dir wehtun, Rishi-Balg . Du blutest. Vergiss das nicht.«
»Das werde ich nicht, Komikon.«
»Du wirst dir eine Latrine bauen, verstanden? Du wirst jeden Monat dafür zahlen, dass sie gereinigt wird, so wie du auch für die Läuterung des Quartiers der Schüler bezahlst.«
Er wartete, angespannt.
»Jawohl, Komikon«, sagte ich hastig.
»Gut.« Er schnaubte und wandte sich zum Gehen.
»Wie?«, wagte ich zu fragen. »Wie werde ich zahlen? Komikon.«
Er blieb stehen und drehte sich um. Dann grinste er, böse und giftig.
»Du wirst meinen Wünschen Folge leisten, Mädchen. So wirst du zahlen. Und jetzt geh zurück zu deiner Hängematte.«
Ich brachte nicht den Mut auf, ihn zu fragen, welche Wünsche das wohl sein würden.
3
W ie der Drachenmeister es von mir verlangt hatte, kehrte ich in die leere Stallbox zurück, die mir als Quartier zugewiesen worden war.
Es war bereits weit nach Mitternacht, und ein eisiger Hauch fuhr durch die Dunkelheit. Die Sterne blinkten so feindselig wie tausend Augen, starrten mich aus ihren seidenen nächtlichen Laken an, als hätte ich sie, nur weil ich unter ihnen daherging, aus ihrem sorgenfreien Schlaf gerissen. Die Nacht wirkte wie ein pechschwarzer Umhang, luftig und feucht wie durchnässte Seide, geschmückt mit der hauchdünnen Sichel des Mondes; sie erinnerte mich an die Pidi-nos der Clans, die kostbaren Streifen aus begehrter schwarzer Seide, mit denen die Handgelenke der Frauen an den Chancobie gefesselt wurden, den Thron der Unterwerfung, auf dem eine Frau
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