Im Bann des Feuers Drachen2
Schüler drängte sich ein Stück entfernt zusammen. Auf ein unmerkliches Zeichen von Eidon hin verschwand Ringus, unbemerkt von Kratt, und rannte durch den Torbogen in den angrenzenden Hof.
Dono hatte meine Knöchel gebunden und richtete sich auf. Der Blick seiner schmalen, ruhelosen Augen zuckte über mein Gesicht.
»Waivia«, stieß er heiser hervor.
Ich starrte ihn verständnislos an.
»Hat sie es auch gesehen?«, fragte er.
Waivia, meine Schwester. Er wollte wissen, ob sie dabei gewesen war, als mein Vater ermordet wurde, ob sie diese Gräueltat mitangesehen hatte; er hatte also meinem Geplapper zugehört, als er mich an das Fass band.
»Nein.« Die Wahrheit lag zäh wie alter Haferschleim auf meiner Zunge.
Er nickte und senkte den Blick. Dann holte er tief Luft. »Du hättest verschwinden sollen, als du noch die Chance dazu hattest, Zarq. Tut mir leid.«
Dann drehte er sich um und ging rasch zu Kratt.
Der ihm etwas sagte und auf eines der Reittiere in den Stallboxen zeigte. Er kannte seine Drachen sehr genau; denn er hatte die mit Abstand temperamentvollste Drachenkuh ausgesucht.
Dono zögerte, drehte sich dann jedoch um und blaffte zwei seiner Kameraden den Befehl zu, ihm zu helfen. Die drei näherten sich der lebhaften Drachenkuh.
Kratt schlug mit der Peitsche auf meinen Bauch. Sie riss ein Loch in meine grobe Tunika und brannte wie Feuer auf meiner Haut. Ich keuchte.
»Also los, ruf deinen Vogel, Rishi-Balg«, befahl Kratt. Das Ende der Peitsche knallte nur eine Handbreit von meinem Mund entfernt in der Luft. »Ruf deinen Vogel oder stirb!«
Das Tier, das Dono und seine beiden Helfer aus dem Stall führten, kämpfte gegen die Maulhaken in seinen geblähten Nüstern. Diese Drachenkuh war ein wundervolles Geschöpf.
Ihre Kinnlappen hingen wie milchige Opale von ihrem Hals herunter. Selbst in der Dämmerung schimmerten ihre bebenden Flügel, die Dono hastig zusammengebunden hatte, damit sie nicht davonflog, wie Bernstein, bräunlich gelb, fast durchscheinend. Die Krallen an den Enden ihrer Schwingen zuckten wie miteinander verbundene, ebenholzschwarze Nadeln, und die Krallen an ihren Vorderpranken waren geschwungen und so gefährlich wie Krummsäbel. Sie scheute, als sie mich an das Fass gebunden sah, und die Muskeln in ihren Hinterbeinen traten unter den glänzenden grünen und braunen Schuppen deutlich hervor.
Sie war eine wundervolle Bestie, mächtig und hoch erregt. Ihre Krallen würden mich mühelos in zwei Teile zerfetzen. Mir verschwamm alles vor den Augen, und mein Herz hämmerte wie tausend Kesselpauken.
Kratt trat in einem Bogen hinter mich und schlug mit der Peitsche nach der Drachenkuh. Sie bäumte sich auf, wandte sich nach links, nach rechts, schnaubte und warf den Kopf. Die Peitsche traf ihre Schnauze. Sie brüllte wütend, tief in der Kehle, rannte ein paar Meter vor und bäumte sich erneut auf. Ihre großen, gefährlichen Krallen zischten kaum einen Meter an meinem Gesicht vorbei.
Ich füllte meine Lungen mit Luft und schrie. Ich schrie, als wollte ich mir die Seele aus dem Leib schreien. Ich war außer mir vor Furcht, schrie und schrie und schrie.
Der dunkle Himmel antwortete mit Schweigen. Die Krallen zischten jetzt direkt vor mir durch die Luft. Ihr nächster Hieb musste mich aufreißen, von der Kehle bis zu den Lenden.
In dem Moment ertönte ein Schrei aus dem Himmel, ein gellender, erderschüttender Schrei, bei dem einem das Blut in den Adern gefror.
»Mutter!«, kreischte ich, als der Himmelswächter über uns auftauchte.
Sie stieg nicht aus den Höhen herab, wie sie es auf der Straße der Geißelung getan hatte, als die Menge mich hatte steinigen wollen. Nein. Sie kreiste einfach nur über uns. Ihre gewaltige Gestalt überzog den Hof mit einer eisigen Kälte.
Selbst aus dieser Höhe schlugen ihre Schwingen den fauligen Gestank von Aas zu uns herab.
Der Odem des Todes war der Geruch meiner Mutter.
Die unirdischen Schreie waren die Laute ihrer Liebe.
Die Drachenkuh vor mir bockte und riss an dem Maulstock, als ihre Wut in blanke Furcht umschlug. Dono und seine Helfer vermochten sie nicht mehr zu bändigen. Der Haltehaken in einer ihrer Nüstern riss sich los, Blut spritzte; sie wirbelte herum, schoss aus dem Hof und zog ein kurzes Stück einen der beiden Schüler hinter sich her, der die Zügel festhielt, die an ihrem Maul befestigt waren.
Waikar Re Kratt trat hinter mir vor und kam in Sicht. Mit einem undurchdringlichen Blick auf mich bedeutete er Dono, mich
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