Im Bann des Feuers Drachen2
verstehen, wollte weiter in dieses zwingende Mysterium eintauchen, wollte das musikalische Flüstern begreifen, das sich wie Seide und gesponnenes Gold durch meinen Verstand wob.
Doch die Drachenkuh zog sich von mir zurück.
Sie blieb einen Moment über mir stehen, den Kopf zur Seite geneigt. Ihre dunklen Kinnlappen funkelten orangefarben im Licht der Laterne. Das Auge, das mich betrachtet hatte, so melancholisch, so weise, glühte blutrot und walnussbraun. Sie war wunderschön, wunderschön und unnahbar. Sie war wahrlich göttlich.
Und kehrte mit einem Schnauben in ihre Stallbox zurück.
»Was hast du gehört?«
Der Drachenmeister kniete neben meinem Kopf und packte meine Schulter.
»Was hast du gehört?«, wiederholte er, und ich versuchte, mich auf sein Gesicht zu konzentrieren, aber mir drehte sich alles vor den Augen, alles schillerte, als wären meine Augen Schwalben in vollem Flug.
Die Menge des Giftes, das ich erhalten hatte, war zu groß.
Als ich mich dieses eine Mal in Tieron einem Drachen dargeboten hatte, war das ein Kuneus gewesen, ein impotenter Bulle, dessen Gift von Alter und mangelhafter Ernährung verdünnt war. Auch wenn die Drachenkuh, die gerade in mich eingedrungen war, selbst am Rand der Senilität zu sein schien, war sie alles andere als schlecht genährt. Das Gift von ihrer Zunge, dessen ich teilhaftig wurde, war folglich das stärkste Gift, das ich jemals empfangen hatte, und trotz meiner Gewöhnung daran, die ich in all den Jahren erworben hatte, in denen ich es regelmäßig zu mir genommen hatte, schwindelte mir von der Dosis, die ich gerade erhalten hatte.
Ich war kurz davor, den Verstand zu verlieren.
Meine Beine, Arme, ja selbst mein Kopf schienen nicht mehr zu mir zu gehören. Mein Gesicht war gefühllos, meine Brust schwer wie ein Granitquader. Ich konnte mich nicht konzentrieren, hatte Schwierigkeiten, die Worte des Drachenmeisters zu begreifen. Meine Umgebung schwankte, die mit Spinnenweben übersäten Dachbalken, die steinernen Stallboxen, der Lehmboden, alles wogte, als befänden wir uns auf einem Schiff auf See.
Ich verlor das Bewusstein.
Als ich wieder zu mir kam, drückte etwas gegen meine Lippen. Ich dachte, eine Ratte würde auf mir hocken, und versuchte, sie wegzuschlagen; nur um festzustellen, dass meine Arme mir nicht mehr gehorchten.
»Trink«, befahl der Drachenmeister. Seine Stimme klang körperlos in der Finsternis, die uns umhüllte; keine flackernde Laterne erhellte die Wände und die Stallboxen. Vielleicht hatte der Komikon sie gelöscht, oder sie war leergebrannt. Möglicherweise hatte er mich auch woanders hingebracht, tief in die Eingeweide der kalten Erde.
»Trink«, wiederholte er. Ich wurde mir meines brennenden Dursts bewusst und trank.
Kühles, klares Wasser lief über meine Lippen und rann meine Kehle hinunter. Dicht neben mir schnaubte ein Drache.
Ah. Also befanden wir uns immer noch in den Stallungen unter dem Becken, in dem Kuppelgebäude neben diesem Ausbildungsfeld.
Das Gift glühte in mir, flackerte in meinem Verstand kurz auf, in meinem Bauch und meinen Gliedern, wie Kohlestücke, löste Selbstgefälligkeit und Allmachtsgefühle aus, wie Funkenschauer.
Ich hatte genug getrunken und entspannte mich in der Umarmung des Drachenmeisters.
»Was hast du gehört?«, flüsterte er mir ins Ohr; seine Stimme klang heiser vor Erschöpfung.
»Die Drachenkuh«, murmelte ich; meine Lippen waren geschwollen. »Ich habe sie gehört. Nicht nur sie, sondern auch den Bullen, der sie gezeugt hat, und nicht nur ihn, sondern auch die Drachenkuh, die das Ei legte, aus dem er schlüpfte. Ihre Großmutter, ihren Großvater. All ihre Vorfahren.«
»Und was haben sie gesagt?« Die Stimme des Drachenmeisters klang so erstickt vor Erwartung, dass ich ihn kaum verstehen konnte.
Seine Arme, mit denen er mich hielt, waren wie Stahlbänder. Es war keine Umarmung, sondern ein Gefängnis. Was hatte ich gehört? Göttliche Mysterien. Unentzifferbare Worte. Nein, keine Worte: Undeutliche Musik, rätselhafte Melodien. Zwingendes Flüstern, wie in einer fremden Zunge. Was ich gehört hatte, waren verfeinerte Emotionen, Empfindungen, uralte Erinnerungen, die durch göttliche Leidenschaft transportiert worden waren.
Die Gefühle, die diese Erinnerungen in mir ausgelöst hatten, verblassten allmählich. Je mehr ich versuchte, sie festzuhalten, sie zu definieren, desto schneller verblichen sie. Eine tiefe Traurigkeit erfüllte mich an ihrer Stelle.
»Ich weiß es
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