Im Bann des Feuers Drachen2
Köstliches auf euch wartet!« Er leckte sich die Lippen und rieb sich voller Vorfreude die Hände.
Dann legte er sie schwer auf meine Schultern. »Du hörst Großmutter und den Mädchen genau zu, heho? Großmutter ist schon lange hier; sie weiß, was das Beste für dich ist. Das ist doch so, Großmutter?«
Dann schritt er zur einzigen Tür des Raumes, wobei er seine Hüften wie ein rachitischer Hund bewegte.
Eine der Frauen vor mir seufzte. »Setzen wir uns. Das Stehen ist zu anstrengend.«
Die anderen murmelten zustimmend. Die Frauen verteilten sich auf die Kissen und Diwane, die im Raum herumstanden, und ließen sich darauf niedersinken, als hätten sie keine Knochen im Leib.
»Komm, Kind«, sagte die grauhaarige Frau, welche die anderen Großmutter nannten, und deutete auf einen verschlissenen Teppich vor dem mitgenommenen Kissen, auf dem sie saß. »Du hattest schon lange nicht mehr das Vergnügen, auf einem weichen Kissen zu sitzen.«
Ich näherte mich ihr mit steifen Beinen und versuchte, mich hinzusetzen. Doch es wollte mir einfach nicht gelingen, nicht ohne eine Wand, an der ich hinabgleiten konnte, die mich stützte. Dass mein Körper unfähig war, eine ganz natürliche Bewegung zu vollbringen, erstaunte mich.
»Helft ihr«, befahl Großmutter und deutete auf zwei Frauen, die mir am nächsten saßen.
Sie seufzten erschöpft, als sie mir halfen, mich auf dem weinroten Teppich auszustrecken. Ihre Berührungen waren sanft, und sie behandelten mich freundlich. Lippen streiften meine Stirn in einem Kuss. Der Duft von Gift war in diesem kurzen Augenblick so stark, als hätte ich ihn aus dem Schlund eines Drachen mit ungestutzten Flügeln geatmet.
»Deine Beweglichkeit und deine Kraft werden schon bald wieder zu dir zurückkehren, Naji«, erklärte Großmutter. »Iss gut, dehne deine Gliedmaßen und ruh dich aus.«
Fünf Paar blutunterlaufene, übergroße, starre Augen blickten mich an.
»Hör mir genau zu, dann wirst du nicht in die Vorbereitungszelle zurückkehren, es sei denn, du willst es. Verstanden?«
Sie wartete auf eine Antwort.
»Ja«, hauchte ich. Ich wollte nur meine Augen schließen und mich verstecken.
»Im Augenblick leben zwölf von uns in der Viagand. Du bist die Dreizehnte.« Großmutters reglose Augen schienen in meinen Wurzeln zu schlagen. »Einige von uns sind gerade nicht da. Entweder befinden sie sich in den Stallungen oder einer Erholungsnische. Du wirst sie kennenlernen, sobald sie alle zurückkehren. Ich vermute, dass du jedenfalls gute Chancen hast, die Stallungen zu überleben; deine Augen reden von früherer Erfahrung mit dem Gift.«
»Ich …«
»Du wirst nicht darüber reden, welches Leben du führtest, bevor du hierher kamst; du wirst uns nicht einmal deinen alten Namen verraten. Falls du es tust, werden wir dieses Fehlverhalten den Wächtern melden, woraufhin du entsprechend bestraft wirst. Jede von uns hier übernimmt diese Pflicht, verstehst du, das Fehlverhalten der anderen zu melden. Das hält uns rein. Es verschafft uns Respekt bei den Wächtern und erhöht folglich unsere Lebenserwartung. Auch du wirst lernen, dies zu tun, und zwar in unterschiedlichen Abstufungen.«
Sie sprach in einem Ton, den eine ältere Schwester anschlagen mochte, die ihrem jüngeren Geschwister zum ersten Mal erklärt, wie man Paak backt.
»Aber dein Alter müssen wir erfahren«, mischte sich eine andere Frau ein. Ihrem Aussehen nach hätte ich, jedenfalls unter anderen Umständen, vermutet, dass sie kaum älter war als ich.
»Geduld, Misutvia. Dazu wollte ich gerade kommen«, tadelte Großmutter sie. Aber ihre Stimme klang beinahe tonlos, und sie starrte mich wartend an.
»Siebzehn«, erwiderte ich mit belegter Stimme. »Ich bin siebzehn.«
Es trat ein kurzes Schweigen ein, in dem die anderen Frauen diese offenbar bedeutungsvolle Information verarbeiteten. Dann sprach Großmutter weiter.
»Wie der Eunuch dir bereits gesagt hat, bin ich die längste Zeit hier. Du bist klug beraten, mich nicht als Freundin zu betrachten. Ich selbst werde dich nie als solche sehen. Verstehst du das?«
Ich nickte kurz, wobei mein Hinterkopf über den zerschlissenen Teppich unter mir schabte.
»Dein Überleben an diesem Ort hängt von drei Fähigkeiten ab. Erstens: Deiner Fähigkeit, einen höherstehenden Wächter zu erfreuen, damit er deine Aufmerksamkeit bevorzugt und andere Wächter daran hindert, sich ebenfalls deiner Dienste zu bemächtigen. Zweitens: Deiner Fähigkeit, die Berührung des Giftes
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