Im Bann des Feuers Drachen2
dass ich mich weigerte, nach so vielen Wochen in der Vorbereitungszelle; man hätte denken können, dass ich zu verängstigt gewesen wäre, mich in eine dunkle, unbekannte und so enge Nische zu quetschen, dass mein Kopf gegen die feuchte Decke stieß, als ich hineinkroch. Aber ich wehrte mich nicht und hatte auch keine Angst. Ich war zu erschöpft, zu überwältigt, um die Energie und den Verstand aufzubringen, die man für Trotz benötigte. So begann ich, mich dem Willen meiner Wächter zu unterwerfen.
In der Nische war es dunkel; stockige Kissen lagen dort, und es roch so stark nach Gift, dass mich das Gefühl beschlich, ich kniete nicht in einer steinernen Gruft, sondern in den Giftsäcken eines Drachen. Ich legte mich auf diese schimmeligen Kissen und rollte mich wie ein Kleinkind zusammen.
»Trink das«, murmelte der Eunuch. Sein massiger Körper verdeckte den Eingang meiner Nische, hob sich als Silhouette vor dem grünlichen Dschungellicht ab, das durch die Fensterschlitze der Gewölbekammer hereinschien. »Trink es, Naji, trink. Es wird deinen Schmerz lindern, dir helfen zu schlafen. Trink.«
Er hielt mir einen Trinkschlauch hin. Aus dem mir ein zitroniger Duft entgegenschlug. Gift.
Mit zitternden Händen griff ich danach.
Das Gift rann brennend durch meine Kehle, meine Augen brannten und juckten, als hätte ich grobes Salz hineingerieben. Im nächsten Moment flossen die Tränen. Meine Nasenflügel brannten, als wären sie mit Chilipaste überzogen. Und durch meinen Schoß strahlte lüsterne Hitze.
Ein Segen.
»Danke«, keuchte ich, überwältigt von Dankbarkeit für den, der mich gefangen hielt. »Danke.«
Der Eunuch schnalzte wohlwollend mit der Zunge und nahm mir den leeren Schlauch weg. Ich schloss die Augen und sank auf die klammen Kissen zurück. Sie fühlten sich so weich an wie Entendaunen. Ich schien auf ihnen zu schweben. Die Nische war nicht mehr beengend. Sie umhüllte mich sanft, wie die Arme einer Mutter. Umfing mich und wiegte mich. Ich seufzte zufrieden.
Und dann, zum ersten Mal seit meiner Verhaftung im Stall des Drachenmeisters, schlief ich. Schlief ich wirklich. Ohne dass der Geist meiner Mutter mich störte.
13
D ie nächsten Tage verstrichen in vom Gift verursachten Schlaf, der nur von dem fetten Eunuchen unterbrochen wurde, wenn er zum Essen rief. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so viel geschlafen hatte. Ganz gewiss jedenfalls nicht mehr seit meiner Kindheit im Töpferclan. Ich genoss den vom Gift tiefen Schlaf in der Nacht und selbst am Tage, fühlte mich übersättigt, und dennoch gierte ich nach mehr. Oh, welch ein Segen, ohne den Geist zu existieren! Oh, du finsteres Entkommen!
Ich sprach in diesen Tagen mit niemandem, und niemand sprach mit mir. Jeder Tag glich dem vorhergegangenen: Wir wurden von den Eunuchen gefüttert und entsprechend mit Wasserrationen belohnt; sie führten uns zu den Latrinen, brachten uns dann in die Gewölbekammer der Viagand zurück. Dort schliefen wir.
Manchmal erwachte ich benommen aus dem Schlaf, hörte das fröhliche Pfeifen des jungen Eunuchen, wenn er fegte oder Moos und Flechten von den Wänden kratzte. Ab und zu hörte ich auch ein Gespräch zwischen apathischen Stimmen. Um den vom Gift abgestumpften Verstand der Frauen zu schärfen, damit sie die Erinnerungen der Drachen besser interpretieren konnten, drängte der fette Eunuch sie gelegentlich, eine Leinwand mit Farbe zu beschmieren, eine Parodie auf die Schaffung eines Kunstwerkes, oder zwang sie zu einem Spiel Darali Abin Famoo mit dem Schicksalsrad. Zumeist jedoch war alles, was ich hörte, ein welkes, klammes Schweigen, das die Ohren wie feuchte Streu verstopfte. Wir lagen alle in unseren kleinen Nischen und schliefen. Gaben uns der Flucht hin.
Manchmal jedoch durchdrangen auch andere Geräusche meinen Schlummer.
Es waren irgendwie vertraute Geräusche, die ich, wenn ich wach wurde, für das Gurren wilder Tauben hielt, das Kratzen von Federn über Stein, das feuchte Klatschen von Farnwedel gegen Farnwedel.
Diese Geräusche kamen im Traum zu mir, durchwoben mit den goldenen Fäden der Erinnerung: Ich träumte von der Paarungshütte meines Geburtsclans. Ich träumte von seinen mit Papierwänden abgeteilten Verschlägen, von dem Keuchen, dem Stöhnen und den feuchten, sanften Schlägen, die ich als Kind gehört hatte, wenn ich gegenüber der Kammer schlief, in welcher sich meine Eltern befanden, in diesen heißen Nächten, in denen sie sich dort
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