Im Bann des Feuers Drachen2
trafen.
Am Anfang waren diese Geräusche tröstend. Sie beschworen die Sicherheit und Wärme einer Kindheit, die schon lange verloren war.
Doch je länger sich die Tage und Nächte erstreckten, desto stärker weckten diese Geräusche erwachsene Gefühle in mir, die von dem Gift in meinen Adern hundertfach verstärkt wurden. Von da an schlief ich nicht mehr friedlich. Ich träumte von Dono, der meine Brüste betatscht hatte, kniete, während ich stand, mich mit seiner Zunge liebkoste, bis ich mich vor Lust bog und mit unersättlicher Gier meine Finger in seinem Haar vergrub.
Ich fing an, die Frauen um mich herum genauer zu betrachten, jedes Mal, wenn wir uns zum Essen in der Kammer versammelten.
Empfanden sie dasselbe wie ich, wenn sie sich in ihren Nischen zusammenrollten? Wurden auch sie von dieser schmerzlichen Sehnsucht gepackt, dieser Einsamkeit, die nur Gift und die Vereinigung mit einem Drachen lindern konnte? Ich konnte es nicht erkennen, nicht einfach nur durch einen Blick auf sie. Die Frauen sahen zu Boden oder auf eine Wand, mieden sorgfältig jedes Gespräch, jede Berührung, ja selbst den Blick der anderen.
Ich fragte mich, welche der beiden Frauen, die mir geholfen hatten, mich hinzulegen, bevor Großmutter mich instruierte, meine Stirn geküsst hatte. Ich wünschte, ich hätte genauer darauf geachtet, wer von ihnen wer war, aber bedauerlicherweise hatten sie für mich alle gleich ausgesehen.
Das war jetzt anders.
Sie sahen nicht gleich aus, überhaupt nicht. Sicher, sie bewegten sich alle mehr oder weniger mit demselben, fast leblosen Schlurfen fort, und gewiss, ihre Augen trugen alle die Zeichen des Drachengiftes. Aber während die Tage ineinanderzufließen schienen, wurde mir klar, dass jedes dieser teigigen, feuchten Gesichter sich von dem anderen unterschied. Diejenigen, die am längsten in der Viagand waren, hatten die blasseste Haut, bewegten sich am langsamsten, litten am meisten unter Haarausfall, wurden vom drängendsten Durst gequält und zeigten das geringste Interesse an Speisen.
Großmutter sah am ältesten aus, allein schon durch ihre fehlenden Zähne und die zahlreichen grauen Strähnen in ihrem langen, dünnen Haar. Doch ein Kern aus Stahl schien sie aufrecht zu halten. Ihre Entschlossenheit, ihre Gefangenschaft so lange wie möglich zu überleben, die sich mit ihrer Überzeugung paarte, zu Recht in dieser Lage zu sein, machte sie für mich zu einer der beeindruckendsten Personen, die ich jemals kennengelernt hatte.
Sutkabde und Kabdekazonvia, das siebenundsechzigste und das zweiundsiebzigste Mädchen, sahen aus wie Statuen aus weichem Talg, und ihre Augen, die von geschwollener Haut umringt waren, die Sekrete absonderte, wirkten qualvoll. Während jedoch Kabdekazonvia kaum mehr als einen Bissen herunterbekam, erlaubte Sutkabde dem Eunuchen, ihr so viel Essen in den Mund zu löffeln, wie Großmutter verzehrte. Sie würgte häufig dabei, und einmal erbrach sie alles, was sie gegessen hatte. Prinrut erklärte eine solche Verschwendung rasch zu einem Fehlverhalten, das zu melden sie beanspruchte.
Prinrut war vor mir der letzte Neuankömmling gewesen. Sie sah beinahe normal aus und verhielt sich auch so. Ich sage absichtlich beinahe, denn sie litt unter Anfällen einer von Furcht ausgelösten katatonischen Erstarrung; der Gestank der Angst hing nach dem der Resignation ebenso deutlich wie das Aroma des Giftes in der Luft unserer Kammer. Prinruts schulterlanges Haar lockte sich unordentlich um ihr Gesicht und ließ ihre bleiche Gesichtshaut und das Rot ihrer entzündeten Augen erträglicher wirken. Ihre demütige Stimme vermittelte den Eindruck, dass sie vor ihrer Gefangennahme eine anständige, etwas plumpe und fügsame Frau gewesen war. Ich fragte mich, welchen Verbrechens sie wohl beschuldigt worden war, dass sie in einem solchen Gefängnis wie dem hier landete.
Misutvia, das sechsundachtzigste Mädchen, war ebenfalls recht neu hier, jedenfalls der Zahl ihres Namens nach zu urteilen, und war außerdem am wenigstens von ihrer Zeit in der Viagand gezeichnet. Gelegentlich röteten sich ihre Wangen, meistens dann, wenn sie die Pflicht übernahm, ein Fehlverhalten zu melden, das sich Großmutter beinahe unausweichlich zu Schulden kommen ließ. Ich hatte oft das Gefühl, dass Misutvia uns andere unablässig unter ihrem schwarzen Pony beobachtete, der über ihrer Stirn gerade geschnitten war und sie sehr attraktiv machte. Wenn sie auf einem Diwan lagerte, war ihre Haltung immer
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