Im Bann des Fluchträgers
Vorhang an und brauchte viele Herzschläge, bis er begriff, dass er wach war. Verstört ließ er seinen Blick vom Fenster über die Wände zur Tür wandern. Im Mondlicht glich sein Zimmer einer Höhle, in den Schatten warteten Gefahren und Geheimnisse. Ein Geisterpferd aus Skaris bleckte in den Falten der Vorhänge die Zähne. Ravin zog seine Decke bis ans Kinn. Die Wärme beruhigte ihn. Als sein Herz langsamer schlug und die Gespenster sich wieder in Vorhänge, Stuhllehnen und geschnitzte Pferde verwandelt hatten, schloss er die Augen und versuchte abermals einzuschlafen.
Plötzlich hörte er es.
Er fuhr hoch und lauschte. Da war es wieder. Es kam aus der Richtung der Tür. Ravin hielt den Atem an. Er spürte einen leichten Luftzug, der ihm einen Schauder über den Rücken jagte. Im fahlen Licht des Mondes ahnte er mehr, als dass er es sah, wie die Tür sich langsam öffnete. Im Rahmen erkannte er den Umriss einer Gestalt. Groß und bedrohlich ragte sie auf. Schlagartig kamen Ravin die Dämonen aus seinem Traum wieder in den Sinn. Langsam glitt das Gespenst auf ihn zu – Schritte waren zu hören und das Rascheln von schwerem Stoff. Die Gestalt war am Fußende des Bettes angelangt, wo sie verharrte.
Ravin glaubte für einen Moment, ein Auge aufblitzen zu sehen. Das Gespenst schien ihn anzustarren. Vorsichtig tastete er nach seinem Messer.
In diesem Augenblick wurde es dunkel. Die Wolke hatte sich wieder vor den Mond geschoben. Ravin hielt die Luft an, jede Faser seines Körpers war gespannt. Wieder leise Schritte und Stoffrascheln – jetzt dicht an Ravins Ohr. Die Dunkelheit hüllte ihn ein wie schwarzes Wasser. Dann kam der Mond wieder hervor. Ravin fühlte, wie ihm das Blut aus den Wangen wich. Das Gespenst beugte sich über ihn.
Ravin riss sein Messer unter dem Kissen hervor.
»Was willst du!«, zischte er.
»Du bist noch wach!«, hörte er eine Stimme sagen, die der seinen ähnlich war. »Du hast geschrien und da dachte ich, ich sehe nach, ob alles in Ordnung ist.«
Vor Schreck und Erstaunen konnte sich Ravin immer noch kaum rühren.
»Ist denn alles in Ordnung?«, fragte die Stimme.
»Ja«, brachte Ravin hervor und ließ das Messer sinken.
»Hast du schlecht geträumt?«, bohrte die Stimme weiter.
»Ja«, erwiderte Ravin wahrheitsgemäß.
Ein Lachen im Dunkeln.
»Kannst du auch noch etwas anderes sagen als ja?«
»Du hast mich erschreckt!«
Langsam gewann Ravin seine Fassung wieder.
»Ich hätte dich beinahe mit dem Messer verletzt! Wer bist du überhaupt?«
»Mach das Licht an, dann siehst du es.«
Ravin tastete nach den Zündhölzern. Seine Hände zitterten noch immer und er brauchte mehrere Anläufe, bis die Kerze endlich brannte.
Neben ihm stand ein Junge in seinem Alter. Allerdings war er größer und kräftiger als Ravin. Sein blondes Haar war zerzaust und glich einem Büschel Stroh, das jemand durcheinander geschüttelt hatte. Es umrahmte ein schmales Gesicht mit Augen, die in einem dunklen Braun leuchteten. Ravin wusste nicht, was ihn an diesen Augen störte, doch irgendetwas an ihnen kam ihm seltsam vor. Der Junge lächelte.
»Meine Güte, du schläfst ja auf dem Boden!«
»Wo denn sonst?«, fuhr Ravin ihn an. Der Fremde machte eine beschwichtigende Geste.
»Darf ich mich setzen?«
Ravin nickte und der Fremde ließ sich am Fußende seines Lagers auf dem Boden nieder. Den Stuhl, der in der Ecke stand, schien er nicht zu bemerken.
»Also, wer bist du?«
Der Fremde zuckte mit den Schultern und grinste.
»Ich bin der Schrecken der ganzen Burg. Von Atandros verhöhnt, von Jarog verspottet und von den Gesandten mit Kopfschütteln bedacht. Nun?«
»Du bist Darian?«
»Richtig!«
Darian sprang auf und schwang elegant seinen Mantel.
»Ich bin Darian Danalonn. Der größte aller Zauberer im ganzen weiten Tjärg! Meine
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