Im Bann des Fluchträgers
dieser Aufgabe gewachsen ist?«
Atandros lachte spöttisch. Ravin hielt die Luft an.
»Mehr als sicher«, sagte Laios mit Nachdruck. »Es liegt an Ravin.«
Wieder sahen alle Ravin an. Einen Moment lang zögerte er, doch als er Laios’ Blick auf sich ruhen fühlte, spürte er, wie die Anspannung von ihm wich. Ruhe durchströmte ihn mit jedem Atemzug und unendliche Erleichterung, dass er diesen Entschluss gefasst hatte.
»Ich reise mit Darian.«
Die Königin musterte ihn lange, der unsichtbare Falter berührte seine Schläfe, streckte Fühler nach seinen Gedanken und Träumen aus und verschmolz mit dem Pochen seines Blutes. Schließlich nickte sie.
»Ich sehe, es ist dein Wunsch, Ravin, und ich respektiere ihn, wenn ich ihn auch nicht billige. Du und Darian brecht also morgen früh auf.«
»Dummheit und Wahnsinn!«, rief Jarog und verließ den Saal ohne sich von Ravin zu verabschieden. Atandros schüttelte den Kopf und folgte ihm.
Laios verbeugte sich vor der Königin. »Ein weiser Entschluss, Majestät«, sagte er und zu Ravins Überraschung drehte er sich zu ihm um und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Und ein guter Entschluss, Ravin va Lagar!«, flüsterte er. »Ich verspreche dir, wir werden über Jolons Träume wachen und dafür sorgen, dass er ruhig schläft.«
L
ange hatte Ravin das geschnitzte Bett in seinem Zimmer betrachtet. Die Bettpfosten stellten kunstvoll aus dem Holz herausgearbeitete Tjärgpferde mit wallenden Mähnen und filigran geschnitzten Ohren dar. Sie schimmerten im samtigen Rotton des seltenen Marjulabaumes. Die Laken und Kissen waren aus einem glatten, wasserweichen Stoff gemacht und leuchteten perlmuttfarben wie die Wände. Vorsichtig ließ er sich darauf nieder und war erstaunt, wie tief er einsank. Er lächelte, dann holte er aus seiner Tasche die geflochtene Grasmatte hervor, legte sie auf den Boden und streckte sich darauf aus. Der Ritt saß ihm in den Knochen und die Audienz bei der Königin hatte ihn aufgewühlt und ermüdet. Trotzdem lag er noch lange wach, nachdem er die Kerzen gelöscht hatte, und starrte in die mondlose Dunkelheit des Zimmers. Er hörte den Regen ungewohnt weit weg – ausgesperrt und leise. Wenn ihn etwas Neues wie die Burg und dieses Zimmer bereits so beunruhigte, wie sollte er eine Reise ins Grenzland nach Skaris meistern? Ravin fühlte, wie ihm im Dunkeln der Mut sank. Mit einem Mal kam ihm sein Entschluss übereilt und sinnlos vor. Er dachte an die Reaktion von Atandros und Jarog und schämte sich plötzlich. Auf diese Reise sollte ein Shanjaar gehen oder ein Krieger, nicht ein Waldmensch, der bisher noch nichts getan hatte, als in Tjärg Ranjögs und Fische zu jagen. Die Sorge wälzte sich wieder wie ein Stein auf seine Brust.
Während er in den Schlaf hinüberglitt, spürte er noch, wie seine Finger schmerzten, die eine so lange Zeit verkrampft die Zügel gehalten hatten. Die Träume ließen ihn nicht los. Er sah vier dämonische Gestalten mit schwarzen Gesichtern um ein Feuer versammelt. Sein Bruder erschien darin, bleich und verstört. Er trat aus dem Feuer und sah sich um. »Ravin?«, rief er. Zischend wichen die Dämonen zurück. Ravin schrie: »Hier bin ich!« Doch Jolon hörte ihn nicht. Noch einmal rief er nach Ravin. Die Dämonen lachten, die Gesichter verzogen sich zu Fratzen. Von Grauen geschüttelt sah Ravin, wie sie ihn in das Feuer zurücktrieben. Jolon taumelte den Flammen entgegen, wehrte sich, wurde durchsichtig. Ravin schrie wieder: »Jolon, hier! Ich bin hier!«
Der Nachtwind bewegte sacht die Vorhänge. »Jolon!«
Es regnete nicht mehr. Ein blasser Sichelmond war hinter den Wolken hervorgekommen und warf einen schwachen Schein in das Zimmer.
»Jolon!«, flüsterte Ravin. Er blinzelte den
Weitere Kostenlose Bücher