Im Bann des Fluchträgers
Sache zu groß für mein Können. Und ich kann mir nicht erklären, warum Laios ausgerechnet mich ausgesucht hat um dich zu begleiten. Manchmal denke ich, er muss verrückt sein.«
Ravin schüttelte den Kopf.
»Glaub nicht, dass ich keine Angst habe. Ich war noch nie außerhalb Tjärgs. Und ich weiß nicht, ob es meinem Bruder helfen wird. Willst du überhaupt mit mir gehen?«
Er sah, wie die Kerzenflamme in Darians Augen tanzte.
»Möchtest du denn, dass ich mitkomme?«
Als er das sagte, waren seine Augen nicht mehr seltsam und unheimlich. Es waren aufrichtige Augen, in denen sich die Flamme spiegelte. Da wusste Ravin, dass er Darian vertrauen würde. Er lächelte und nickte.
»Ich bitte dich darum!«
Darian sprang auf.
»Du wirst es nicht glauben, aber vor einer halben Stunde habe ich mich noch mit allen vieren dagegen gewehrt, auf diese Reise zu gehen. Ich dachte, man will mich loswerden!«
Er lachte und diesmal war seine Fröhlichkeit echt. Die Spannung löste sich mit einem Mal.
»Weißt du, wovor ich wirklich Angst habe?«, sagte Darian mit einem Blick auf das weiche, unberührte Bett. »Die ganze Zeit so zu schlafen wie du – auf dem Boden.«
Ravin lächelte. »Es ist bequem, du wirst sehen.«
Und er erzählte von seinem Leben im Wald, vom langen Waldgras, das man zu elastischen, bequemen Matten flechten konnte, vom Lagerfeuer, das von seiner Tante, der alten Dila, bewacht wurde, und von den Ranjögs, die besonders schwer zu jagen und so listig waren, dass man sie in gut getarnte Fallen treiben musste.
Darian staunte, fragte nach und wollte mehr hören, bis Ravin gähnte und sie bemerkten, dass es bereits weit nach Mitternacht war. Darian stand auf und strich seinen Mantel glatt.
»Ich habe ganz vergessen, dass Laios auf mich wartet. Wir müssen noch viel vorbereiten.« Er lächelte verschmitzt und verbeugte sich. »Vielleicht habe ich morgen früh eine Überraschung für dich.«
Er ging zur Tür. »Auf morgen!«
»Auf morgen, Darian«, sagte Ravin.
I
ch dachte schon, du bist allein losgeritten!«, rief Darian, als er Ravin im Stall gefunden hatte. Lange vor Sonnenaufgang hatte Ravin sich zu den Stallungen aufgemacht und sein Pony gesucht. Da er schon einmal im Stall war, hatte er sich umgesehen und war in der Hoffnung, ein Tjärgpferd zu sehen, von Box zu Box gegangen. Doch alles, was er fand, waren Packpferde, Ponys und die fuchsroten Pferde aus Lom, die in den Boxen dösten. Darian kam den Gang entlang und betrachtete ihn, wie er die Satteldecke auf dem Rücken des Ponys sorgsam glatt strich.
»Lass dein Pony im Stall, es kann sich noch ein paar Tage ausruhen«, sagte er dann mit einem verschwörerischen Lächeln. Er trug nicht länger seinen schwarzen Mantel, sondern einen dichten Wollumhang und Hosen aus dunklem unverwüstlichem Leder, an dem auch Regen abperlte.
Ravin schüttelte den Kopf.
»Reiten wir denn nicht heute?«
»O doch!« Darian konnte ein Kichern nicht unterdrücken. »Aber nicht auf Packpferden oder Ponys. Wir reiten auf Tjärgpferden!«
Ravin wurde heiß und kalt.
»Wirklich?«, rief er.
Darian nickte.
»Iril wird mit uns bis zum Passweg reiten. Er hat in der Nähe des Sees eine kleine Herde entdeckt. Für uns ist es kein Umweg, wir können von dort aus direkt weiterreiten.«
»Und mein Pony?«
»Morgen reitet ein Bote zu deinem Lager und wird es zurückbringen. Nimm deinen Sattel und komm, draußen stehen schon Pferde bereit. Iril und Laios warten.«
Mit fliegenden Händen packte Ravin sein Sattelzeug und nahm dem Pony Halfter und Satteldecke wieder ab.
»Ruh dich aus!«, flüsterte er in das große Ohr und kraulte den Hals des Ponys, dann folgte er Darian ins Freie.
Nach der stürmischen Nacht war die Luft kühl und schneidend frisch. Laios stand im Burghof, neben ihm wartete ein
Weitere Kostenlose Bücher