Im Bann des Fluchträgers
Er fühlte, wie ihm die Röte noch heftiger in die Wangen schoss. Ärgerlich wandte er sich um, aber Naja war schneller. Blitzschnell züngelte ihre Hand nach Amina.
»Naja, hör auf!«, rief Ravin, doch sie beachtete ihn nicht, sondern zischte Amina zu: »Du sollst wissen, dass er mich geküsst hat. Mich!«
»Das sieht man ihm an«, erwiderte Amina sichtlich feixend. »Und weißt du was? Küss ihn ruhig noch einmal, wenn du möchtest.«
Dann lachte sie und ging zu den Pferden.
Naja drehte sich zu Ravin um.
»Gehörst du ihr schon so sehr, dass sie mir erlauben kann dich zu küssen?«
»Ich gehöre ihr nicht«, rief Ravin. »Ich gehöre niemandem!«
Naja schrumpfte zusammen, bis sie zusammengekauert im Lagerfeuer saß. Die restlichen Stücke Jalafleisch schrumpelten zu schwarzen Klumpen zusammen und zerfielen zu Asche. Die Nymphe war traurig.
»Ich verstehe«, sagte sie. »Du willst keinen Herrn haben. Deshalb können sie dich nicht rufen. Und du hast dein Versprechen noch nicht eingelöst«, bemerkte sie und streckte die Hand nach ihm aus, als wollte sie eine Wärme fühlen, die von ihm ausströmte. »Hier drin brennt es immer noch, wenn du an dein Versprechen denkst. Du flackerst sogar noch heller als damals im Burggarten!«
Sie zog die Hand zurück und seufzte.
»Ich verstehe dich«, sagte sie. »Ich werde noch gebunden sein. Sie haben uns nicht in die Burg gelassen.« Sie erzitterte, ihre Haare flackerten und leckten über ihre weiß glühenden Schultern und Brüste. »Diese Erloschenen sind lästiger als Regen.« Sie kicherte und wirbelte herum. »Doch selbst sie konnten nicht verhindern, dass ein Feuergeist in die Burg gezogen ist. Aus den Tiefen des Feuerberges kam er, brüllend und unaufhaltsam!« In ihrer Begeisterung hatte sie die Arme um ihren Körper geschlungen und zitterte.
»Du hast gesehen, wie die Burg brannte?«
»Und wie sie brannte! Die ganze Burg hat er verschlungen! Alle versuchten zu löschen. Stell dir das mal vor! Ein fressendes Feuer löschen zu wollen wie eine Kerze!« Sie schüttelte sich vor Lachen, Funken stoben. Der Duft der verkohlten Marjulablüten verbreitete sich wie Räucherwerk. Ravins Augen waren von Najas Schein so müde, dass er nur noch schwach die Umrisse von Amina und den Pferden ausmachen konnte.
»Der Herr der Horjun«, fragte er vage, »ist Badok, nicht wahr?«
»Woher soll ich wissen, wie er sich nennt’ Er ist nicht mein Herr! Er reitet mit einem Mann mit Haar wie Kohle, dessen Mantel geschmolzenes Silber ist …«
»Diolen reitet mit euch?«
Ravin spürte, wie ihm trotz der Hitze ein eisiger Hauch über die Haut kroch. Angst schnürte ihm die Kehle zu. Sie waren also bereits hier! Amina war wieder ans Feuer getreten und stand hinter Naja wie ein dunkler Zwilling. Ihr schwarzes Haar glänzte nicht im Flammenschein.
Naja nickte.
»O ja. Ein paar Flammensprünge von hier. Die Horjun und ihr Herr waren in den Feuerbergen und haben noch mehr Erloschene gerufen.«
Amina kam so dicht an Naja heran, dass ihre Haare sich in der Hitze krümmten.
»Sie reiten mit ihrem Heer die ganze Zeit denselben Weg wie wir?«, fragte sie die Nymphe.
Naja blickte sie misstrauisch an.
»Es sind viele«, sagte sie schnippisch. Dann antwortete sie Ravin: »Sie reiten in Gruppen. Vor Tonjun habe ich gespürt, dass du hinter uns bist!«
»Wie konntest du mich finden?«, flüsterte er. Amina blickte sich wachsam um, offensichtlich in der Erwartung, gleich ein paar Horjun auf die Lichtung stürzen zu sehen.
Naja lächelte.
»Ich kenne deinen Namen«, sagte sie sanft. »Er öffnet mir alle Wege zu dir.«
Ravin jagte noch ein kalter Schauder über den Rücken.
»Nur dir?«, fragte er.
Najas Lächeln erlosch. Ravin bereute seine Frage, als er sah, wie sich Trauer und Enttäuschung in ihrem
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