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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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schon sehr lan­ge kei­nem Rei­sen­den den Zu­tritt ver­wehrt hat­te. Die­ser Ge­dan­ke be­ru­hig­te ihn.
    Die Stadt war grö­ßer als al­le La­ger, die Ra­vin je ge­se­hen hat­te. Nicht nur die weiß ge­tünch­ten Häu­ser wirk­ten im Ver­gleich zu den Zel­ten im Tjärg­wald rie­sen­haft und be­ängs­ti­gend. Auch die Stra­ßen wa­ren so breit, dass man ei­ne gan­ze Ran­jögher­de mü­he­los hät­te hin­durch­trei­ben kön­nen. Wenn Platz ge­we­sen wä­re. Denn die Stadt war vol­ler Men­schen. So vie­le ström­ten an Ra­vin vor­bei, dass er nicht wuss­te, wie er ih­nen aus­wei­chen soll­te. Stim­men be­dräng­ten ihn von al­len Sei­ten, bis er sich von bunt ge­klei­de­ten Hall­ge­spens­tern um­ge­ben glaub­te. Im Fa­ckel­schein sa­ßen die Men­schen vor ih­ren Häu­sern, un­ter­hiel­ten sich, han­del­ten mit Fisch, Sü­ßig­kei­ten und al­len Ar­ten von An­gel­ha­ken, oh­ne Ra­vin und Dari­an zu be­mer­ken. Als sei­en wir Ge­spens­ter, schoss es Ra­vin durch den Kopf. Pa­nik droh­te ihn für einen kur­z­en Mo­ment zu über­man­nen, dann blick­te er Ladro an und sah in sei­nen Au­gen die­sel­be Ver­wir­rung.
    »Him­mel, so vie­le Men­schen an ei­nem Ort ha­be ich noch nie ge­se­hen«, sag­te er. und zupf­te sei­nen Um­hang zu­recht, un­ter dem er sein Mes­ser ver­barg. »Wir müs­sen auf der Haupt­stra­ße bis zur letz­ten Bie­gung ge­hen und von dort aus nach ei­ner Gas­se Aus­schau hal­ten, die Flut heißt. Ich hof­fe nur, Skaard­ja weiß, wo­hin sie uns schickt.«
    Ra­vin über­leg­te auf dem Weg, ob heu­te in Dan­tar ein Fest statt­fand. Im Tjärg­wald lie­fen nie­mals al­le Men­schen gleich­zei­tig in der Nacht bei Fa­ckel­schein um­her. Er ent­deck­te ei­ne stein­al­te Frau, die vor ei­nem Haus­ein­gang auf ei­nem zu­sam­men­ge­roll­ten Tau saß und mit kno­ti­gen, ver­krümm­ten Fin­gern ein fein­ma­schi­ges Fi­scher­netz knüpf­te. Als sie vor­über­gin­gen, be­merk­te sie sei­nen Blick, schau­te Ra­vin kurz an, oh­ne dass ih­re Fin­ger zur Ru­he ka­men, und knüpf­te dann wei­ter.
    »Sed­mecks?«, frag­te ei­ne Stim­me di­rekt ne­ben Ra­vin. Er er­schrak und mach­te einen Satz zur Sei­te. Ein dunkles Ge­sicht war ne­ben dem sei­nen auf­ge­taucht. Wei­ße Zäh­ne leuch­te­ten im Fa­ckel­schein. »Sed­mecks?«, wie­der­hol­te der Händ­ler und hielt Ra­vin ein Bün­del ge­räu­cher­ter Fi­sche auf Holz­spie­ßen un­ter die Na­se. Ra­vin schüt­tel­te den Kopf und be­eil­te sich Ladro zu fol­gen. Ei­ne Ewig­keit, so er­schi­en es ihm, gin­gen sie auf der brei­ten Stra­ße. Ab und zu nahm er zwi­schen all den Ge­rü­chen und Düf­ten ganz schwach ei­ne fri­sche sal­zi­ge Bri­se wahr. Schließ­lich bo­gen sie in ei­ne Gas­se ab, in der meh­re­re um­ge­dreh­te, schma­le Boo­te auf Holz­klöt­zen la­gen. Ver­mut­lich wur­den sie hier tro­cken­ge­legt und in­stand ge­setzt, denn je­des von ih­nen wies Be­schä­di­gun­gen auf. Im Vor­über­ge­hen be­merk­te Ra­vin mit ei­nem flau­en Ge­fühl in der Ma­gen­gru­be, dass vie­le die­ser Be­schä­di­gun­gen of­fen­sicht­lich von Zäh­nen ver­ur­sacht wor­den wa­ren. Am Bug des größ­ten Boo­tes saß ein ha­ge­rer Mann und strich mit ei­nem Stück Holz ei­ne Pas­te auf die Sei­ten­wand. Sie roch an­ge­nehm nach ver­brann­tem Harz. Er blick­te nur kurz auf, als sie an ihm vor­über­gin­gen, um dann das Holz wie­der in die zä­he schwar­ze Flüs­sig­keit zu tau­chen. Die Mee­res­bri­se ver­misch­te sich mit dem Ge­ruch von et­was, das Ra­vin nicht be­stim­men konn­te. Fau­lig und doch nicht un­an­ge­nehm.
    Plötz­lich stan­den sie am Was­ser. Ra­vin war so ver­blüfft, dass er erst gar nicht be­merk­te, wie sei­ne Fü­ße von war­men Wel­len um­spült wur­den. Die Stra­ße en­de­te di­rekt im Meer. Rat­los schau­ten sie auf die glit­zern­de Was­ser­flä­che. In der Fer­ne tanz­ten Licht­punk­te über die Wel­len. Ladro fluch­te.
    »Ich ver­ste­he das nicht«, sag­te er. »Hier müss­te Flut sein!«
    »Zu­min­dest sind wir am Ha­fen«, mein­te Ra­vin und deu­te­te nach rechts, wo sich vier rie­si­ge Schif­fe schwarz ge­gen den Him­mel ab­ho­ben. Ladro riss die Au­gen auf.
    »So große

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