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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Schif­fe ha­be ich noch nie ge­se­hen«, sag­te er.
    Sie wa­ren drei Mal so groß wie die größ­ten Häu­ser in Dan­tar. Sanft be­weg­ten sie sich in den Wel­len auf und ab wie Rie­sen, die im Schlaf ru­hig at­me­ten, be­glei­tet vom Wie­gen­lied der knar­zen­den Taue. Je­des Schiff trug drei Mas­ten und war schlank und schnit­tig ge­baut, Ra­vin er­in­ner­te es an die Bau­wei­se der leich­ten, wen­di­gen Boo­te, die sie im Tjarg­wald zur Jagd auf die flin­ken Be­la­fi­sche ver­wen­de­ten. Ei­nes der Schif­fe hat­te die Se­gel ein­ge­bun­den, die Mas­ten der drei an­de­ren da­ge­gen wa­ren noch nackt wie Ske­let­te.
    Das sind kei­ne Fi­scher­boo­te, dach­te Ra­vin be­un­ru­higt.
    »He, ihr!«
    Sie fuh­ren her­um.
    Der dür­re Mann mach­te einen Satz nach rück­wärts und hob be­schwich­ti­gend die Hän­de.
    »Sach­te! Steck doch das Mes­ser ein, Jun­ge!«
    Ladro senk­te sein Mes­ser, doch be­hielt er es in der Hand.
    »Was willst du?«, frag­te er. Der Mann ließ die Hän­de sin­ken und lä­chel­te.
    »So et­was Ähn­li­ches woll­te ich euch fra­gen. Dach­te, ihr seid Dan­ta­ria­ner.«
    Sei­ne Wor­te klan­gen fremd. Er be­ton­te sie selt­sam und dehn­te die Lau­te auf un­ge­wohn­te Art.
    »Nein, wir sind Rei­sen­de«, ant­wor­te­te Ladro.
    »Es sind ei­ne Men­ge Frem­de in der Stadt«, sag­te der al­te Mann. Im­mer noch schwang An­span­nung in sei­ner Stim­me mit.
    »Und«, fuhr er fort, »sie ha­ben al­le die An­ge­wohn­heit, mit Mes­sern her­um­zu­fuch­teln. Habt ihr Angst, ich wür­de euch mit blo­ßen Hän­den an­grei­fen?«
    Nach ei­nem kur­z­en Blick­wech­sel steck­te Ladro sein Mes­ser weg. Der Mann schi­en er­leich­tert zu sein.
    »Ihr kommt wohl aus ei­ner Ge­gend, in der sichs mit den Nach­barn gar nicht gut le­ben lässt«, mur­mel­te er und wand­te sich zum Ge­hen.
    Ra­vin ging ihm ein paar Schrit­te hin­ter­her.
    »Bit­te war­te!«, rief er. Der Mann blieb ste­hen, dreh­te sich um und sah Ra­vin mit aus­drucks­lo­sem Ge­sicht an. Ra­vin konn­te ihm nicht ver­übeln, dass er kei­ne Lust mehr ver­spür­te, sich zu un­ter­hal­ten.
    »Mein Freund woll­te dich nicht be­dro­hen. Wir wur­den heu­te be­reits ein­mal über­fal­len.«
    Der Mann mus­ter­te Ra­vin und zuck­te die Schul­tern.
    »Geht mich nichts an. Aber Rei­sen­de sind mir im­mer noch lie­ber als Krie­ger. Hat mich ein­fach ge­wun­dert, wer hier mit­ten in der Nacht in Flut her­um­läuft.«
    Ladro trat hin­zu.
    »Wir sind hier al­so in Flut?«
    »Klar«, sag­te der Mann. »Sieht man doch. Oder meint ihr, in Dan­tar baut man die Stra­ßen im­mer so, dass sie di­rekt ins Meer füh­ren?«
    Er be­merk­te den rat­lo­sen Blick, den sie wech­sel­ten, und run­zel­te die Stirn.
    »Sucht ihr ei­ne Un­ter­kunft? Wel­cher Töl­pel hat sich den Scherz mit euch er­laubt und euch her­ge­schickt? Sko­dy vom Sei­ler­markt?«
    Ra­vin schüt­tel­te den Kopf.
    »Wir su­chen je­man­den.«
    Selbst in der Dun­kel­heit konn­te er er­ken­nen, wie der Mann vor Er­stau­nen die Au­gen auf­riss.
    »Hier?« Er schüt­tel­te den Kopf. »Hier wohnt kei­ner mehr, mein Jun­ge. Ihr seht doch, hier ist nur noch die Schiffs­werk­statt und sonst nichts. Da!« – er deu­te­te hin­ter sich auf die Häu­ser – »Un­be­wohnt, seit die Wel­le al­les weg­ge­spült hat.«
    »Du meinst, hier ha­ben ein­mal Leu­te ge­wohnt, dann wur­de der Stadt­teil ge­flu­tet – und seit­dem …«
    »… nennt man die­sen Teil Dan­tars Flut. Ganz recht. Ist jetzt zwei Som­mer her. Wüss­te nicht, wer auf die un­mög­li­che Idee käme, euch hier­her zu schi­cken. Au­ßer er will euch rein­le­gen.«
    »Das hat uns ge­ra­de noch ge­fehlt!«, stöhn­te Ladro.
    »Na ja«, sag­te der Mann nun. »Ich woll­te euch ja nur hel­fen. Aber wenn ihr lie­ber mit lan­gen Ge­sich­tern hier her­um­ste­hen wollt …«
    »Su­mal Ba­jü«, sag­te Ra­vin. »Su­mal Ba­ji San­tal­nik. Die su­chen wir.«
    »Su­mal?« Der Mann lach­te. Es klang wie ein Kräch­zen, dann hus­te­te er und lach­te wie­der.
    »Warum sagt ihr das nicht gleich? Sie hat hier ge­wohnt – un­ge­fähr da drü­ben.« Va­ge deu­te­te er auf ei­ne Stel­le im Meer, et­wa vier Pfer­de­län­gen von ih­nen ent­fernt. »Hat da­mals bei der Flut

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