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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ih­rer Mann­schaft um. »Wir tau­chen!«, be­fahl sie.
    Den Nach­mit­tag über ver­brach­ten Ra­vin und Dari­an da­mit, zu be­ob­ach­ten, wie Su­mals Leu­te in das Meer spran­gen, ge­gen die Strö­mung ge­si­chert mit dün­nen Sei­len aus fes­ten Al­gen­fa­sern, die im Was­ser nicht auf­quol­len, und wie sie mit Net­zen vol­ler ro­ter Ko­ral­lenäs­te wie­der an die Ober­flä­che ka­men. Über den Au­gen tru­gen sie trans­pa­ren­te Scha­len aus ge­schlif­fe­nem Kris­tall, die sie mit dün­nen Le­der­bän­dern am Kopf be­fes­tigt hat­ten. Ra­vin fand, dass sie aus­sa­hen wie In­sek­ten mit Flü­geln aus schlaf­fen Net­zen, die auf ih­rem Rücken an­ge­bracht wa­ren. Netz um Netz schich­te­ten sie die kost­ba­re Fracht auf dem Bo­den auf. Ein wei­te­rer See­mann prüf­te je­de Ko­ral­le ge­nau, säu­ber­te sie, zer­klei­ner­te große Stücke mit ei­nem kan­ti­gen Stein. Die Frau, die Xia hieß und im­mer schwieg, nahm die Ko­ral­len­stücke, zer­stampf­te sie zu Pul­ver und rühr­te sie mit ei­ner Pas­te aus Fett an.
    »Für den Fall, dass ei­ner un­se­rer Tau­cher ge­brannt wird«, sag­te Su­mal. Das Schiff be­weg­te sich wäh­rend­des­sen lang­sam vor­an und zog die Tau­cher an ih­ren Sei­len durch den Ko­ral­len­wald. Die ro­ten Äs­te leuch­te­ten wie Blut­fä­den im Was­ser. Der An­blick fas­zi­nier­te Ra­vin so sehr, dass er Chal­tar erst be­merk­te, als er ihn mit nas­ser, salz­kal­ter Hand an der Schul­ter be­rühr­te und ihm das Le­der­band mit den ge­schlif­fe­nen Schei­ben hin­hielt.
    »Da«, sag­te er zu Ra­vin und deu­te­te auf das Was­ser. Ra­vin schüt­tel­te den Kopf und lä­chel­te ver­le­gen.
    »Nein«, wehr­te er ab. »Nein dan­ke, ich … ha­be das noch nie …« Hil­fe su­chend blick­te er sich nach Su­mal und Dari­an um, doch die wa­ren ein Stück an der Re­ling ent­lang­ge­wan­dert und blick­ten völ­lig ver­tieft in das Was­ser. Im­mer noch hielt Chal­tar ihm das Le­der­band hin. Ra­vin nahm es zö­gernd, was Chal­tar, sei­nem brei­ten Grin­sen nach zu ur­tei­len, als Ein­ver­ständ­nis deu­te­te, denn er griff hin­ter sich und zück­te ein Seil, das er Ra­vin um die Hüf­te band. Ra­vin spür­te, wie ihm trotz der Som­mer­hit­ze ein ei­si­ger Schreck­schau­der über die Kopf­haut fuhr.
    »Aber ich kann nicht ins Was­ser«, sag­te er noch ein­mal. Chal­tar mach­te ei­ne be­ru­hi­gen­de Ges­te und griff sich an sein Hüft­seil. Ra­vin ver­stand. Er woll­te mit ihm ge­mein­sam tau­chen. Mit klop­fen­dem Her­zen be­trach­te­te er die bei­den Kris­tall­scha­len. Xia hör­te auf, die Ko­ral­len zu Pul­ver zu zer­sto­ßen, und sah neu­gie­rig zu. Pro­be­hal­ber hob Ra­vin die Scha­len an die Au­gen und blick­te auf das Meer. Wie groß es ihm er­schi­en! Al­les war schär­fer und kla­rer, viel­leicht so­gar far­bi­ger. Chal­tar lach­te und war so schnell hin­ter ihm, dass Ra­vin gar nicht da­zu kam, die Schei­ben wie­der ab­zu­neh­men – schon hat­te Chal­tar ihm das Le­der­band fest um den Kopf ge­zurrt und zog ihn zur Re­ling. Wie in ei­nem Traum hör­te er noch einen er­staun­ten Aus­ruf von Dari­an, dann schi­en es ihm so, als be­ob­ach­te­te ein zwei­ter Ra­vin, wie er sich hin­ter Chal­tar am Seil ent­lang in das lau­war­me Meer glei­ten ließ. Das Was­ser durch­drang sein Tuch und um­fing sei­nen Kör­per. Nur an sei­ne Au­gen kam es nicht. Die Kris­tall­scha­len press­ten sich so dicht an sei­ne Haut, dass er einen Mo­ment der Ver­blüf­fung brauch­te um sich be­wusst zu wer­den, wie gut sei­ne Au­gen ge­schützt wa­ren. Den­noch hielt er sie fest ge­schlos­sen. Mach die Au­gen auf, jetzt!, be­fahl er sich.
    Der An­blick traf ihn mit sol­cher Über­ra­schung, dass er un­ter Was­ser einen er­staun­ten Ruf aus­stieß. Die ma­gi­sche Land­schaft ver­schwand hin­ter ei­nem Schwall von Luft­bla­sen und tauch­te um­so schö­ner wie­der dar­aus her­vor. Die Ko­ral­len streck­ten sich ihm ent­ge­gen wie lan­ge ro­te Fin­ger. Un­glaub­lich groß er­schie­nen sie ihm. Und als zu­fäl­lig sei­ne ei­ge­ne Hand in sein Blick­feld ge­riet, er­schrak er dar­über, wie groß auch sie aus­sah. Ne­ben ihm tauch­te Chal­tar auf, eben­falls

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