Im Bann des Fluchträgers
riesig und von stechender Klarheit, und winkte ihm zu. Ravin beobachtete, wie er in den Korallenwald abtauchte. In Ravins Brustkorb hämmerte das Herz, Blut rauschte in seinen Ohren. Er tauchte in die Welt der Geräusche und schnappte nach Luft. Die Gesichter von Darian und Sumal Baji lachten ihm von der Reling aus zu. Ravin holte Luft und ließ sich mit geschlossenen Augen wieder in die Stille gleiten. Als er die Augen öffnete, entdeckte er, dass eine Art Spiegelbild vor ihm im Wasser trieb. Blassgrüne Augen blickten ihn an.
Der Meernaj war größer als der Flussnaj – oder vielleicht erschien er nur so. Denn der Naj, den Ravin auf dem Stein am Fluss hatte sitzen sehen, war faltig und trocken gewesen – diesen hier dagegen umgaben seine Schwimmhäute wie ein Kleid aus funkelnden Schleiern, in denen sich das Sonnenlicht fing. Der Naj bewegte sich, als würde er tanzen, blieb jedoch an derselben Stelle im Wasser. Ohne Eile betrachtete er Ravin, der seinen Herzschlag in den Ohren dröhnen hörte. Für einen bangen Moment fragte er sich, ob der Naj ihn in die Tiefe ziehen würde, doch im selben Augenblick verlor der Naj das Interesse, bauschte seine Schwimmhäute und verschwand in einem Wirbel aus Luftblasen.
Die brennenden Fische kamen spät in der Nacht. Alle an Deck waren damit beschäftigt, die Korallen in Bündel zu schnüren, als plötzlich Chaltars Ruf ertönte.
Sie zogen längsseits am Schiff vorbei. Das Erste, was Ravin einfiel, war, dass Feuernymphen so aussehen würden, wenn sie schwimmen könnten. Schlanke Unterwasserfackeln schossen dahin, schienen im Wechsel immer neue traumhafte Bilder zu ergeben, mal feurige Augen, mal einen Schauer aus fallenden Sternen. Sumals Lippen wurden schmal.
»Das habe ich mir gedacht!«, zischte sie und rannte zu der Gruppe von Tauchern. Sie stürzten ebenfalls zur Reling. Darian und Ravin gesellten sich zu ihnen.
»Da vorne, seht ihr?«, sagte Sumal und deutete in die Dunkelheit. Lange Zeit erkannte Ravin gar nichts, doch schließlich, nach einer Ewigkeit, wie ihm schien, schälte sich langsam das Bild eines knochigen Hügels aus dem Dunkel der Nacht.
»Ein Grom liegt auf der Lauer. Das hat uns gerade noch gefehlt.«
Sumal kniff die Augen zusammen, um den knochigen Höcker besser betrachten zu können.
»Im Moment scheint er ruhig zu sein. Wir können nur hoffen, dass er nicht nachts auf die Jagd geht, aber im Allgemeinen sind sie nur so ruhig, wenn sie mehrere Stunden schlafen.« In der Küstensprache wies sie Chaltar und einige andere an, die Nacht über Wache zu halten.
Darian war blass geworden.
»Am besten wir sagen Mel Amie und den anderen nichts davon«, flüsterte er Ravin zu. Ravin nickte. Der seltsame Druck auf seiner Brust verstärkte sich. Es war eine diffuse Angst. Wenn das, was er dort sah, nur die größten Knochenhöcker auf dem Rücken waren, mochte er sich nicht vorstellen, was sich unter der Wasseroberfläche verbarg.
Als die Sonne aufging, streifte wieder ein Schwarm brennender Fische am Schiff vorbei. Der Höcker war zu einem kleinen Punkt am Horizont zusammengeschrumpft. Ravins Augen schmerzten, doch die kühle Morgenluft hielt ihn wach. Zuerst glaubte er, seine übermüdeten Augen spielten ihm einen Streich. Er drückte die Handballen auf die Augen. Rote Funken tanzten hinter seinen Lidern. Es hörte, wie Darian einen kleinen Schreckenslaut ausstieß. Er sah es also auch: Der Höcker wurde größer und hielt genau auf die Jontar zu! Sumal schrie mit barscher Stimme Kommandos. Die Seeleute stürzten zu den Segeln.
Ein noch größerer Schwarm brennender Fische glitt am Schiff vorbei. Aufgeregt schwammen sie im Zickzack. Die Seeleute zurrten Leinen fest und brachten die Jontar in Windeseile dazu, den Kurs zu
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