Im Bann des Fluchträgers
müssen.
»Und die Grom?«, fragte Ladro in die Sülle. »Du hast erzählt, dass sie an die Oberfläche kommen um die brennenden Fische zu fangen. Was machen wir, wenn so etwas geschieht?«
Sumal lächelte.
»Wir beten in so einem Fall für gewöhnlich zu Taltad.«
Sumal blickte in ratlose Gesichter und lächelte kühl.
»Das ist ein ertrunkener Kapitän.«
Ravin zuckte zusammen.
»Das heißt, wir müssen uns auf unser Glück verlassen, dass in den nächsten paar Tagen kein Grom Hunger bekommt.«
Sumal hob die Hände.
»Es ist der einzige Weg. Aber beruhigt euch – bisher ist uns noch kein brennender Fisch begegnet. Die Chance, dass uns ein Grom folgt, ist also sehr gering.«
»Wie sieht so ein Grom denn aus?«, ließ sich nun A minas Stimme vernehmen.
»Sie sind so groß, dass du erkennen wirst, wenn du einen vor dir hast«, antwortete Sumal leichthin und entließ sie mit einer Geste, die besagte, dass die Unterhaltung beendet war.
Wenige Stunden später war die Felsengruppe, auf die sie zuhielten, so nah, dass man die Kanalmündung erkennen konnte. Und schließlich, gegen Abend, manövrierte der Steuermann die Jontar sehr geschickt zwischen scharfkantigen Felsen hindurch und an Stromschnellen vorbei, die sich wie tanzende Kreisel im Meer drehten. An Bord war es still geworden. Darian und Ravin ertappten sich mehrmals dabei, wie sie vergaßen die Leinen nachzulassen und stattdessen wie gebannt in das unruhige Wasser blickten, stets in der Erwartung, etwas Riesenhaftes dort auftauchen zu sehen. Die Jontai ächzte und schaukelte. Ravin kämpfte gegen das Gefühl, auf einem Haufen Erde zu stehen, der einfach eine steile Böschung hinunterrutschte und ihm den Boden unter den Füßen wegzog. An das leichte Schaukeln hatte er sich mühsam gewöhnt, doch nun kam zum Schaukeln ein Schlingern hinzu, das ihn glauben ließ, sein Kopf müsste jeden Moment von seinen Schultern rollen. In dieser Nacht lag er auf den Planken und spürte noch im Schlaf, wie das Meer versuchte das Schiff zwischen zwei Atemzügen in die Tiefe zu saugen. Auch Sumal Baji war wachsamer als sonst. Mit zusammengepressten Lippen beobachtete sie das Wasser.
Tagsüber sichteten sie flinke gelbe Fische, die im Kielwasser schwammen, und in der Abenddämmerung sahen sie die vernarbten Rücken von Snais, die vom Fackellicht angelockt dem Schiff folgten und ihre Froschmäuler aus dem Wasser hoben. Am dritten Morgen im Kanal weckte sie aufgeregtes Stimmengewirr. Chaltar stand mit den anderen Seeleuten an der Reling. Sie unterhielten sich in der weichen, schnellen Küstensprache, die in Ravins Ohren wie Gesang klang. Als sie Ravin entdeckten, lachten sie, winkten ihn heran und deuteten auf das Wasser. Ravin musste die Augen zusammenkneifen, um sie tief unten im bewegten Wasser zu erkennen: Korallenriffe, die wie blutrote Edelsteine auf dem dunklen Boden einer Schatztruhe schimmerten. Als Ravin wieder aufsah, konnte er gerade noch erschrocken zurückspringen, denn neben ihm schoss etwas durch die Luft und landete im Wasser. Noch in der Schrecksekunde wurde ihm bewusst, dass es einer der Seeleute war. Er tauchte lange, so lange, dass Ravin bereits unruhig wurde. Verschwommen sah er den braunen Körper zwischen den roten Armen der Korallen hindurchschwimmen. Endlich tauchte das nasse, lachende Gesicht wieder auf. Ein Stück Koralle flog durch die Luft. Chaltar fing es auf und hielt es hoch. Sumal nahm es ihm aus der Hand, prüfte es und nickte. »Jum-Korallen!«
Die Mannschaft begann zu jubeln. Sumal lächelte und reichte Ravin das Korallenstück. Es fühlte sich kalt und porös an, doch die Oberfläche war so glatt und geschmeidig, dass sie aus poliertem Knochen hätte sein können. Sumal drehte sich zu
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