Im Bann des Fluchträgers
zwar, aber nun bist du hier.« Das Lächeln verlosch. »Doch nach dem zu urteilen, was Darian und eure beiden Weggefährten aus Skaris berichten, steht Tjärg noch Schlimmeres bevor als die Angriffe von ein paar Horden, mit denen wir seit einigen Tagen zu kämpfen haben.«
Ravin blinzelte. War er so lange bewusstlos gewesen?
»Badoks Truppen können unmöglich bereits hier sein«, flüsterte er.
Laios wiegte den Kopf.
»Ich spreche nicht von Truppen, sondern von Reiterhorden, die von Süden her aus dem Grenzland anrücken. Erste Gefechte fanden bei Tamm statt. Aus diesem Grund haben sich einige der Lager – so auch deines – in Richtung Burg zurückgezogen.«
»Aber diese Angriffe dienen nur zur Ablenkung. Diolen und Badok kommen mit dem größeren Teil des Heeres von der Meerseite, aus Galnagar.«
Ravins Stimme überschlug sich, sein Kopf drohte vor Schmerz zu zerspringen.
»Das wissen wir bereits. Darian hat es uns berichtet. Es war sehr klug von euch, Diolen und Badok zu folgen und sie auf dem Weg nach Tjärg zu überholen.«
Er lächelte ihm beruhigend zu.
»Bald wirst du Jolon sehen. Er schläft immer noch.«
Ravin blinzelte. Niedergeschlagen wischte er sich die Tränen vom Gesicht. Er hatte sich ausgemalt, wie sehr er sich freuen würde in Gislans Burg anzukommen, Laios wiederzusehen, in Sicherheit zu sein. Doch die Freude stellte sich nicht ein. Am meisten vermisste er das Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Stattdessen fühlte er nur Leere und Trauer.
»Natürlich schläft er noch«, flüsterte er. »Ich habe Skaardjas Quelle nicht gefunden. Und viel schlimmer noch – es gibt sie gar nicht!«
»Ich weiß.«
»Ich werde Jolon nicht helfen können.«
»Ja, das ist wohl wahr.«
Ravin schniefte. Er machte eine Handbewegung, die seine ganze Hoffnungslosigkeit umfasste.
»Ich habe versagt.«
Erschöpft ließ er sich auf sein viel zu weiches Lager zurücksinken und widerstand nicht länger der Versuchung, die Augen zu schließen.
»Du bist einen langen Weg gegangen, Ravin va Lagar«, sagte Laios. »Und ich würde dich gerne noch ausruhen lassen. Aber die Botschafter tagen bereits im Zimmer der Räte. Sie erwarten dich.«
»Laios?« Ravin bemühte sich seine Stimme nicht zittern zu lassen. »Hat Darian dir erzählt, warum ich, ich meine, wo ich …«
»Du warst auf der Suche nach einer Woran. Das ist genauso sinnvoll, wie darauf zu warten, dass die Toten rückwärts über die lichte Grenze gehen und zu uns zurückkehren.«
»Aber Amina? Ich dachte, du könntest …«
Laios’ Schweigen war Antwort genug. Ravin begriff und das Gefühl des Verlustes traf ihn mit grausamer Endgültigkeit. Laios verharrte noch einen Moment mit gerunzelter Stirn am Bett, dann seufzte er und ging auf die Tür zu. Als er die Klinke in der Hand hatte, wandte er sich noch einmal um. Zum ersten Mal war sein Gesicht weich und voller Mitgefühl.
»Lass die Toten bei den Toten und die Woran bei den Woran«, sagte er sanft. »Du hast viel erlebt, mehr Schmerz, als ein Mensch ertragen sollte. Ich wünschte, ich könnte dich trösten. Aber alles, was ich dir sagen kann, ist: Die Amina, die du kanntest, ist tot. Jolon aber lebt!«
Er öffnete die Tür und ging hinaus. Ein anderer Hofzauberer betrat das Zimmer. Gerade wollte Ravin sich von ihm abwenden, als er plötzlich erkannte, dass es Darian war – und doch nicht Darian. Er war in die lange, dunkel gefärbte Tracht der Hofmagier gekleidet. Ravin glaubte sich zu erinnern, dass Darian bei ihrer ersten Begegnung einen ähnlichen Mantel getragen hatte. Doch als Laios’ Lehrling hatte er wie ein verkleideter Junge gewirkt, nun aber kleidete ihn die Tracht und verlieh ihm eine Aura von Ernst und Würde. Da stand ein junger Shanjaar, der dem Darian von damals auf den ersten Blick so
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