Im Bann des Fluchträgers
dunkler, so als bewegte sie sich ständig im tiefsten Baumschatten. Von der Narbe an der Schläfe schienen sich wieder die fünf lichtlosen Schattenfinger über ihre Wangen zu breiten. Als Ravin sie einmal weckte, fuhr sie ihn mit gefletschten Zähnen an – und da war es, Aminas rasendes Gesicht, die Woran, die ihn anfauchte und sich nur mühsam wieder zusammennahm.
Umso fieberhafter hielt er Ausschau nach den ersten Zeichen, die ihm zeigen würden, dass sie Gislans Burg näher kamen. Endlich fand Ravin an einem der Jalastämme sieben Einkerbungen und ein geschnitztes Dreieck.
»Wir werden die Regenbogenburg in zwei Tagesritten erreichen«, verkündete er. Seine Laune hatte sich augenblicklich gebessert. Den Weisungen getreu ritten sie auf einen verborgenen Weg und kamen in ein Waldstück mit zahllosen Tannen. Unter den ausladenden Ästen war das Reiten schwieriger. Tief mussten sie sich über die Hälse ihrer Pferde ducken. Jeder Schritt, jedes Knacken der Zweige, die unter den Pferdehufen brachen, klang gespenstisch überdeutlich und doch gedämpft. Ravin atmete den Duft nach Tanisharz ein und fühlte sich ein wenig getröstet. Darian dagegen wurde noch niedergeschlagener. Ravin wusste, dass er sich an die Tage mit Sella erinnerte.
Als der Regen so stark wurde, dass sie sich tief unter eine Tanne zurückziehen mussten, bemerkte Ravin, dass sein Freund nicht mehr da war. Eine Weile saß er mit den anderen und beobachtete die Bäche, die an den Zweigen herunterliefen, doch schließlich erhob er sich um ihn zu suchen.
Er stand neben Dondo, die Hand in der langen Mähne vergraben. An seinen gebeugten Schultern, die sich krampfhaft hoben und senkten, merkte Ravin gleich, dass Darian weinte. Er zuckte zusammen, als er Ravins Hand auf seiner Schulter spürte. Eine Weile standen sie, ohne dass sich einer von ihnen rührte. Endlich wandte Darian sich um. Diesmal versuchte er nicht einmal seinen Schmerz und die Hoffnungslosigkeit zu überspielen. Stattdessen setzte er sich, lehnte sich mit dem Rücken an den Baumstamm und zog die Knie an seinen Körper.
»Ich werde kein Zauberer«, sagte er nach einer Weile. »Ich bin einfach keiner. Ich werde es nie sein.«
Ravin schüttelte den Kopf.
»Das ist nicht wahr. Wir wissen alle, dass du ein guter Shanjaar bist. Auch Skaardja hat es mir gesagt.«
»Skaardja!« Darians Stimme klang bitter. »Was weiß schon Skaardja. Oder Laios – oder Sumal Baji.«
Er drehte sich zu Ravin um, das helle Haar fiel ihm ins Gesicht.
»Damals als ich mit Sella auf dem Plateau stand, da war ich einer!«, sagte er. In seinen Augen flackerte das unheimliche Licht auf, das seit Sellas Tod erloschen gewesen war. Ravin erschrak.
»Ich hatte es in den Händen! In diesen Augenblicken war ich ein Zauberer – und trotzdem konnte ich Sella nicht vor dem Tod bewahren.«
Die Tränen rannen ihm über das Kinn und tropften mit dem Regen um die Wette. Dondo wandte den Kopf und schnaubte Darian ins Ohr, doch er schob den Pferdekopf unsanft weg.
»Was nützt die ganze Magie dieser Welt, wenn man den Menschen, den man liebt, nicht retten kann?«, schrie er plötzlich. Ein Weinkrampf schüttelte ihn, Ravin kniete sich neben ihn und schloss die Arme um seinen Freund. Er hielt ihn, bis der Regen aufhörte, spürte, wie das Schluchzen ihn immer wieder schüttelte, wie Darians ganze Verzweiflung ihn durchdrang. Erst lange nachdem der Regen aufgehört hatte, standen sie auf und gingen zum Lagerplatz zurück. Die Dunkelheit senkte sich bereits über die Lichtung, hinter Schleierwolken zeigte sich ein bleicher Halbmond.
Unter der Tanne rückte die Gruppe eng um die magische Flamme zusammen. Nur Amina hielt sich abseits und winkte ab, als Ravin sie zum Licht holen wollte. Mit Schaudern
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