Im Bann des Fluchträgers
Augen verengten sich nur für einen Moment.
»Du bist einer von hier, das sehe ich. Erstaunlich, dass du aus dem Verlies entkommen konntest.«
Er sah Ravin interessiert ins Gesicht.
Plötzlich berührte der schmerzhafte Traumfalter unerwartet Ravins Schläfe, doch diesmal vertrieb er ihn aus seinen Gedanken. War da nicht ein Geräusch gewesen? Ein Schleifen? Aber er wagte nicht sich umzudrehen, solange Diolens Blick auf ihm ruhte.
»Ich kenne dich!«, sagte dieser nach einer Weile und verschränkte die Arme.
Ravin konnte in Diolens Gesicht lesen, dass er in seinem Gedächtnis nach seinem Gesicht suchte. Und es offensichtlich fand. Das Lächeln kehrte zurück, Diolens Stimme bekam den samtigen Klang der Zufriedenheit. »Du hast ein weißes Pferd und warst in Skaris – bei den Jerriks. Der unauffällige Reiter, der gekommen war um Sella auf dem Plateau zu retten.«
Ravin kämpfte dagegen an, dass seine Hand zu zittern begann. Er hatte nicht erwartet, dass Diolen sich erinnern würde.
»Ich sehe noch dein Gesicht vor mir. Ein sehr bleiches, angstverzerrtes Gesicht.«
Er lachte und kam näher. Ravin schloss die Hand fester um den Messergriff. Diolen bemerkte es, hob die Arme und trat in gespielter Ehrfurcht einen Schritt zurück.
»Und dieser Angsthase bedroht mich nun«, sagte er. »Wegen meiner kleinen Braut, die unglücklicherweise vom Plateau stürzte.«
»Du weißt, dass das nicht wahr ist!«, schrie Ravin. »Du warst es, der sie in den Tod getrieben hat. Du vernichtest alle, die in deine Nähe kommen!«
Diolen warf den Kopf zurück und lachte.
»Ach ja, richtig«, sagte er. »Da wir gerade davon sprechen: Wo versteckt sich der tölpelhafte Junge, der sie vor mir schützen wollte? Du weißt schon – dein ungeschickter Freund, der sich für einen Zauberer hält.«
Ravin wurde immer irritierter. Es war gespenstisch, wie viel Diolen wusste.
»Jerriks Sohn Tarik war ebenso dumm. Als ich Sella und ihn im Wald abpasste, meinte er den Helden spielen zu müssen. Kein schöner Anblick für Sella, als sie mit ansehen musste, wie Tarik gegen sein eigenes Messer kämpfte – und verlor.«
»Du hast ihn getötet wie Amgard«, flüsterte Ravin. Diolen schüttelte amüsiert den Kopf.
»Nie hätte ich meine Hände mit dem Blut dieses Bantyjungen beschmiert. Nein, aber meine Hallgespenster können sehr ungemütlich werden, wenn ihnen die richtige Stimme die Erlaubnis gibt. Zu dumm nur, dass Sella den Gor nicht hatte.«
»Du dachtest, Sella bewahrt ihn?«
»Dummerweise hat sie es behauptet um jemand anderen zu schützen.« Er lachte. »Ich habe Sellas Seele, wusstest du das?«, flüsterte er. »Als sie fiel, habe ich sie gefangen. So gerne würde sie sterben, aber ich lasse es nicht zu! Ihre Seele ist ein kleiner Vogel, der wahnsinnig vor Angst gegen die Gitterstäbe meines Verlieses fliegt. Und weder du noch dein feiger, erbärmlicher Freund könnten etwas dagegen ausrichten!«
Ravin schluckte. Schon wollte er sich in kopfloser Wut auf Diolen stürzen, als wieder der Schmerz an seiner Schläfe einsetzte und ihm den Atem nahm. Jemand versuchte ihn am Kampf zu hindern. Gleich würde sein Arm zu zittern beginnen. Diolen durfte nichts merken.
»Was willst du von uns, Diolen?«, stieß Ravin hervor.
»Nicht viel, Waldmensch. Euer Land, eure Schätze … eure Leben. Ihr habt ganz richtig erraten, dass ich auch Dantar einnehmen werde. Und dann die anderen Länder. Schon lange haben wir den Feldzug vorbereitet. Doch eure Königin und eure ach so weisen Räte waren zu dumm um es rechtzeitig zu bemerken.«
Nie zuvor hatte Ravin einen solchen Hass empfunden. Gleichzeitig war er irritiert. Woher wusste Diolen von Ljanns Vermutungen über einen Angriff auf Dantar?
»Bist du taub für die Stimmen
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