Im Bann des Fluchträgers
Blutlache anstarrten. Das Entsetzen hing festgefroren in der Luft, während der Lärm draußen anschwoll und ein schauderhaftes Heulen einsetzte, das klang, als würden Hunderte von Hunden in einem grausigen Chor um ihr Leben winseln.
Mit Amgars Schwert in der Hand stürzte Ravin aus dem Thronsaal und rannte den Gang entlang, der zum Zimmer der Räte führte. Im Rennen warf er einen Blick durch ein Fenster und wäre beinahe gestolpert. Die Truppen der Königin waren direkt vor der Burg. Rauch verdunkelte den Himmel. Doch das Seltsamste war der Fluss. Ravin sah Wasserzungen, dreimal so hoch wie ein Pferd, über das Land lecken. Aus dem Fluss erhoben sich die Naj. Unzählige waren es. Am Flussrand glaubte Ravin einen großen Mann mit einem Umhang aus Silberschaffell zu erkennen. Flüchtig erinnerte er sich daran, wie der Stallmeister die Wasserflasche mit dem Blut des Regenbogenpferdes eingesteckt hatte. Nun kämpften die Naj gegen diejenigen, die die Regenbogenpferde getötet hatten. Und wie sie kämpften! Von hier oben konnte er sehen, dass die Truppen der Königin nach einer bestimmten Strategie vorgingen: Mit ungeheurer Wucht trieben sie die Horjun – oder die Erloschenen, das konnte Ravin nicht erkennen – mit ihren Pferden zum Fluss. Wellen schäumten hinter den feindlichen Kriegern auf, griffen nach ihnen und schon zerrten die Naj Pferde und Reiter ins Wasser. Ravin sah strampelnde Pferdeleiber, die von den Fluten verschluckt wurden, und Reiter, die bei der Berührung mit dem Wasser zerfielen. Ihr Heulen stieg in den Himmel empor. Zischend erloschen Feuernymphen unter Sturzbächen. Schaum bedeckte die Wiesen am Ufer.
Gepolter und Geschrei aus dem Thronsaal ließen Ravin zusammenzucken. Er duckte sich und rannte weiter. Keuchend erreichte er das Zimmer der Räte, zog die schwere Tür auf und floh hinein. Von innen verriegelte er die Tür und drehte sich gehetzt um.
»Jarog?«, flüsterte er.
»Hier!«
Die Stimme, die rechts von ihm aus der Ecke kam, klang schwach und schmerzerfüllt. Wie hatte der Zauberer sich verändert! Sein Gesicht war wie das von Laios von Brandstriemen verunstaltet. Wirr hing ihm das Haar ins Gesicht. Beim zweiten Blick erkannte Ravin, dass Jarog an den Stuhl gefesselt war, auf dem er saß.
»Jarog! Wie konnte es geschehen, dass sie euch überwältigt haben?«
Der Zauberer stöhnte vor Schmerz.
»Wenn ich mich nur erinnern könnte. Sie haben uns gefoltert. Was ist mit Laios?«
Ravin biss sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Das Gesicht des Zauberers verzog sich, als würde er in Tränen ausbrechen.
»Warte, ich mache die Fesseln los«, sagte Ravin und griff zum Schwert.
»Bitte fuchtle nicht mit dem Schwert vor meiner Nase herum. Die Knoten kannst du auch mit den Händen lösen.«
Ravin stutzte, dann legte er das Schwert auf den Boden und beugte sich über die Fesseln. Jarog hatte Recht, sie waren nicht allzu fest verknotet. Anscheinend war man sich sehr sicher gewesen, dass der Zauberer mit seinen Verbrennungen ohnehin nicht mehr die Kraft haben würde, sich zu befreien.
»Was ist das für ein Lärm da draußen? Sind die Truppen der Königin etwa schon vor dem Tor?«, fuhr Jarog fort.
Ravin war erschöpft. Die Gesprächigkeit des Zauberers irritierte ihn und lenkte ihn von den Fesseln ab. Jeden Augenblick konnten die Horjun vor der Tür sein. Ungeduldig zerrte er am letzten Knoten, als plötzlich etwas seine Gedanken berührte. Es war kein bestimmtes Gefühl, eher eine Ahnung, wie er sie im Wald hatte, wenn er für den Bruchteil einer Sekunde spürte, dass ein Ranjög ihn durch die Zweige beobachtete.
Die Klinge pfiff an seinem Ohr vorbei und drang mit der Spitze in seine Schulter.
Er hörte jemanden fluchen und kam nach seinem instinktiven Sprung zur
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