Im Bann des Fluchträgers
deiner Hauptleute?«, sagte er um Zeit zu gewinnen. »Eure Truppen haben Verluste erlitten. Ihr habt die Burg eingenommen, doch der Wald gehört euch noch lange nicht!«
Diolen lachte.
»Was kümmern mich Sieg oder Niederlage? Ich habe bereits, was ich will. Im Gegensatz zu dir. Aber ich glaube, ich kann dir bei der Suche behilflich sein!«
Er durchmaß den Raum ohne den Blick von Ravin zu lassen. Ravin wich einige Schritte zur Seite aus um ihn im Auge behalten zu können.
Am Fuße des Thronpodests lag etwas, das aussah wie ein Haufen von achtlos zur Seite geworfenen Mänteln. Diolen grinste und stieß das Bündel mit dem Fuß an. Es kippte vornüber. Graues Haar floss über den Glasboden, grausam deutlich leuchteten Brandstriemen auf.
»Laios!« Ravin konnte den Aufschrei nicht zurückhalten. Reglos lag der alte Zauberer zu Diolens Füßen.
Ravin fühlte, wie die Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit sich auf leisen Pfoten anschlichen. Mit dem Blick in Laios’ faltiges, verwundetes Gesicht schien auch er zu altern und schwächer zu werden.
In diesem Augenblick zog Diolen sein Schwert.
Ravin rannte zu Amgar und riss das Schwert aus ihrem Körper. Sie rollte herum, helle Augen blickten zur Decke. Ravin wurde übel, sein Arm zitterte. Den ersten und zweiten Hieb parierte er mit Mühe, dann gelang es ihm, etwas Abstand zwischen sich und Diolen zu bringen. Dennoch hatte er etwas entdeckt, das ihm ein wenig Mut machte: Diolen kämpfte zu Pferd weit besser als auf dem Boden. Hier war er weniger flink und wendig als Ravin. Amgar hatte es gewusst – Diolen mochte ein guter Reiter sein, doch im offenen Kampf hätte er gegen sie keine Chance gehabt. Ravin wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. In diesem Moment erreichte ihn eine Berührung des Traumfalters. Diesmal war sie nicht von Schmerz durchwoben, sondern klar und kühl. Das Zittern in seinem Arm hörte auf, als hätte sich eine unsichtbare Fessel gelöst.
»Auch dein Zauberer war ein alter Narr«, höhnte Diolen. »Er dachte, er könnte mich töten.«
Ravin spürte zwar das Aufschäumen der Wut, doch sie stieg ihm nicht länger zu Kopf. Kühl und überlegt führte er die nächsten Schwertstreiche und trieb Diolen von Laios weg. Sobald Diolen sich wirklich in Gefahr glaubte, würde er die Wachen rufen. Also musste er ihn überraschen. Ein-, zweimal ließ er ihn gefährlich nahe an sich herankommen und sah den Triumph in den grauen Augen. Sollte er ruhig denken, dass er mit dem feigen Waldmenschen spielte. Ravin verzog sein Gesicht, als hätte ihn der letzte Schlag übermäßig heftig getroffen und stolperte ein paar Schritte in Richtung Fenster. Diolen lachte. Ravin tastete nach seinem Messer. Er würde ihn herankommen lassen und dann …
Ein Horn ertönte vor der Burg und hallte klagend von den gläsernen Wänden wider. Diolen verharrte.
Ein Bild flog auf Ravin zu, so real, dass er es reflexartig verscheuchte wie eine Fliege. Dann traf ihn die Erkenntnis. Es war Jarog, der ihn rief. Er saß in einem Zimmer mit einem hufeisenförmigen Tisch – das Zimmer der Räte – und er war in Gefahr. Hoffnung loderte in Ravins Brust auf.
Dann begann das Rauschen, so laut, als stünde der Thronsaal unter einem Wasserfall. Schreie und Kampflärm drangen in den Raum. Diolen wandte den Kopf zum Fenster. Gepolter und Schritte erklangen auf dem Gang, dann stürzten schon die Horjun in den Thronsaal. Ravin zog sich hinter den Thron zurück.
»Herr! Die Hexe ist vor der Burg – und seht nur! Der Fluss …«
Diolen stürzte zum Fenster. Ravin war sich sicher, dass er dieses unwirkliche Bild nie vergessen würde: Diolen, den Rücken seinen Horjun zugewandt, die mitten im Thronsaal standen, mit jungen Gesichtern und Angst in den Augen, die Amgars Leichnam und die riesige
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