Im Bann des Fluchträgers
»wären sicher begeistert, wenn sie dich und deine Horjun mit ihren Schwertern in den Kampf treiben dürften.«
Amgar kniff die Augen zusammen und sog die Luft scharf durch die schmalen Nasenflügel ein. Kein Beben, keine Blässe verrieten ihre Wut.
»Wenn es so ist«, sagte sie dann, »werde ich dir nicht länger gehorchen. Ich führe meine Horjun in den Kampf, nicht in den sinnlosen Tod an der Seite von Gespenstern!«
Mit einem trägen kampferprobten Schwung zog sie ihr Schwert – Ravin bemerkte mit einem Schaudern, dass es blutverkrustet war – und warf es vor Diolens Füße. Klirrend schlug es auf dem Glasboden auf und ließ die Blitze winziger Splitter nach allen Seiten spritzen.
Sie drehte sich um und ging auf die Tür zu. Laut hallte ihr Schritt von den glatten Wänden wider. Ravin glaubte die Last der Enttäuschung zu sehen, die sie auf ihren Schultern trug.
Diolen senkte den Kopf. Für diesen Bruchteil der Ewigkeit fragte sich Ravin, ob Amgars Worte ihn getroffen hatten. Angespannt verfolgte er, wie Diolen langsam in die Knie ging – und Amgars Schwert aufhob.
Schlagartig begriff Ravin. Instinktiv tastete er nach seinem Schleuderriemen, brachte ihn in Position und suchte in seiner Seitentasche nach einem Wurfgeschoss, das leichter war als ein Stein und Amgar nicht verletzen würde. Er fand den Kern einer Jalafrucht, legte ihn mit fliegenden Händen in den Wurfriemen und holte aus.
Weder Diolen noch Amgar hörten das leise Sirren. Amgar zuckte zusammen, als der Kern sie schmerzhaft an der Schulter traf – und fuhr, wie Ravin gehofft hatte, herum. Lauf!, schrie er in Gedanken.
Ihre Augen zeigten kein Erschrecken, als sie Diolen sah, der ihr das Schwert wie einen Speer entgegenschleuderte. Doch sie floh nicht. Als ihr eigenes Schwert sie in die Brust traf, gab sie nur einen keuchenden Laut von sich. Wut blitzte in ihren Augen auf – und Schmerz über den Verrat. Dann sank sie langsam, den Blick auf Diolen gerichtet, in die Knie und fiel.
Ravin hatte sich die Hand auf den Mund gepresst um nicht aufzuschreien.
Blut kroch über den Glasboden und erreichte Amgars Haar.
Da sie abgewandt von ihm lag, konnte Ravin ihr Gesicht nicht sehen, doch er wusste, dass sie tot war.
Ravin zitterte am ganzen Körper, aufsteigende Tränen und Übelkeit würgten ihn.
Diolen bückte sich neben Amgar und hob den Jalakern vom Boden auf. Nachdenklich betrachtete er ihn, dann schweifte sein Blick über den Thronsaal. Das liebenswürdige Lächeln umspielte seine Lippen.
»Du wolltest sie also warnen«, sagte er in den Raum hinein. »Bist du ein Freund von ihr? Hat sie dich hergeschickt?«
Er ging zu den Fenstern, die den Blick auf das Tjärgtal freigaben, und suchte die Schatten der Wandnischen ab. Der Silbermantel umfloss seine Gestalt wie ein gewebter Wasserfall.
»Bist du zu feige dich deinem Herrn zu stellen?«
Ravins Herz raste. Zieh dich zurück!, sagte ihm die Stimme der Vernunft. Geh und suche Laios, anstatt dein Leben in diesem ungleichen Kampf zu riskieren!
Doch der Anblick von Diolens spöttischem Gesicht rief ihm plötzlich Sella vor Augen. Diolens Lächeln war ihr so nah gewesen wie jetzt ihm. Kalte Ruhe durchdrang ihn. Er schätzte die Entfernung von Amgars Körper ab, dann zückte er sein Messer und trat ins Licht.
»Du bist nicht mein Herr, Diolen. Und der Einzige, der feige ist, bist du.« Diolen fuhr herum und erstarrte. Zufrieden bemerkte Ravin, wie sein Lächeln verschwand.
»Sehr tapfer, eine unbewaffnete Kriegerin aus dem Hinterhalt zu töten«, fuhr Ravin fort. Er staunte, wie ruhig seine Stimme klang.
Diolen runzelte die Stirn.
»Du bist kein Horjun«, sagte er.
»Ist es schon so schlimm um deine Horjun bestellt, dass du erwartest, einen von ihnen mit dem Messer in der Hand hier zu treffen?«, antwortete Ravin. Diolens
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