Im Bann des Fluchträgers
kehrte ein.
»Ein Zirkel aus Räten wird darüber wachen, dass hier alles wieder aufgebaut wird. Atandros wird zum Rat gehören und Jolon, der neue Hüter des Gor. Und …« – Ravin durchfuhr ein kurzer Schreckschauer, als die Königin sich ihm zuwandte – »… als jüngstes Mitglied des Rates möchte ich dich einberufen, Ravin. Deine erste Aufgabe wird darin bestehen, darüber zu wachen, dass die Lager wieder aufgebaut werden. Und wer könnte das besser als ein mutiger Waldmensch, dessen Geschick und Klugheit wir es zu verdanken haben, dass wir hier sitzen.«
Ravin spürte, dass alle Blicke im Raum auf ihn gerichtet waren, doch erstaunlicherweise war er sehr ruhig. Er errötete nicht, sondern sah der Königin in die Augen.
»Ich danke Euch, Majestät«, sagte er mit fester Stimme. »Und nehme gerne an.«
»Ich danke dir, Ravin va Lagar«, antwortete sie. »Auch für deinen Ungehorsam!«
Hauptmann Ljann lachte, die Gesandten aus Tana und Lom runzelten pikiert die Stirn. Ravin konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Um dir zu danken möchte dir Tjärg etwas schenken«, fuhr Königin Gisae fort. »Am Fuße der Südberge steht eine alte Burg. Sie gehörte einem Fürsten, der unter meinem Vater regierte. Inzwischen ist sie halb zerfallen, doch für dich soll sie wieder aufgebaut werden. Damit du und die deinen immer Schutz finden.«
Ravin klappte der Mund auf.
»Aber Majestät!«, sagte er und wurde nun doch rot.
»Wenn du die Burg nicht bewohnen möchtest, steht es dir selbstverständlich frei, damit zu tun, was dir beliebt«, schloss sie. Diener betraten den Saal und brachten Wein herein. Stühle rückten, Becher wurden herumgereicht und man trank auf die Toten.
Ravin stand wie in einem Traum, Hände klopften ihm auf die Schulter, Glückwünsche hallten in seinen Ohren, ohne dass er sie richtig wahrnehmen konnte. Von der anderen Seite des Saales fing er einen ermutigenden Blick seines Bruders auf. Ladro und Mel Amie lächelten und prosteten ihm zu. Gerade wollte er zu ihnen hinübergehen, als er entdeckte, dass Aminas Platz leer war. Verstohlen sah er sich nach der Königin um, die in das Gespräch mit den Räten vertieft war, dann stand er möglichst unauffällig auf und zog sich zur Tür zurück.
Sie stand auf dem Gang und blickte durch ein zersplittertes Fenster auf das verwüstete Land. Der Wind fing sich in ihrem Haar und ließ es flackern wie schwarze Feuerzungen. Als sie seine Schritte hörte, wandte sie den Kopf. Ihre Augen leuchteten mit der Flamme der Woran, doch dieser Anblick irritierte ihn nicht mehr, denn immer noch war sie Amina.
»Es ist seltsam mit dir«, sagte sie. »Wenn man dir tagelang nachläuft, bist du verschwunden. Und wenn man vor dir wegläuft, folgst du einem bis aus dem Saal.«
»Als ich dich heute gesucht habe, erfuhr ich, dass du mit Iril in den Südbergen warst.«
»Und was hätte ich machen sollen? Ich habe dich gesucht, am Tag nach … nach Diolens Tod. Man sagte mir, du seist in den Wald geritten. Kaum warst du wieder da, hieß es, nun seist du bei den Räten.«
»Ich habe berichtet über Amgar und …«
»Ravin, hör auf dich rauszureden. Du verachtest mich, weil du denkst, ich hätte dich angelogen. Aber du verstehst nicht …«
»Amina, du bist es, die nicht versteht! Ich dachte, du wärst eine Woran und dann …« Ohne es zu wollen war er laut geworden. Sie warf ihm einen traurigen Blick zu.
»Da, schon wieder streiten wir uns«, sagte sie.
Die Stille wuchs zu einer Mauer, die sich unerbittlich zwischen sie schob. Amina wandte sich wieder dem Fenster zu.
»Ich bin eine Woran und bin es nicht«, sagte sie. »Ich bin Amina. Und ich habe nur noch dieses einzige Leben.«
»Entschuldige«, brachte er schließlich hervor. »Ich wollte dich nicht verletzen. Was wir auch sagen, wir verletzen
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