Im Bann des Fluchträgers
Wir streiten und verletzen einander. Wir sind wie … wie Feuer und Wasser. Niemand würde ernsthaft erwarten, dass ein Naj und eine Feuernymphe sich vertragen.«
Darian schüttelte den Kopf.
»Du bist so tapfer, Ravin. Doch vor der kleinsten aller Gefahren rennst du davon.«
Ravin stand auf und klopfte sich die Tannennadeln vom Mantel.
»Im Gegensatz zu dir, weiser alter Mann«, erwiderte er spöttisch. »Nun, solltest du in Dantar zufällig Sumal Baji begegnen, richte ihr bitte meine Grüße aus.«
Darian wurde rot.
In Ravins Traum ritt ein endloser Zug von Horjun durch die Wälder zur Galnagar-Bucht. Schwarz und bedrohlich lagen die Kriegsschiffe in der windstillen Bucht. Die Spuren der Pferde verschwanden, wuchsen binnen Augenblicken zu, als hätte nie ein Huf den Boden berührt. Auf den Pferden saßen die Toten: Amgar mit der Schwertwunde im Leib, Laios mit den Brandspuren, Sella mit ernstem Gesicht und unzählige Waldkrieger und Horjun, die im Kampf gefallen waren.
Ravin folgte diesem traurigen Zug an der Seite von Darian, bis sein Freund Dondo ein Zeichen gab und das Pferd mit ihm davonpreschte. Ravin rief nach ihm, doch er sah sich nicht um und Vaju ließ sich nicht bewegen ihren Schritt zu beschleunigen, sodass Ravin zurückblieb. Eine dunkle Gestalt flog auf einem blinden Pferd an ihm vorbei. »Amina!«, rief er im Traum. Sie drehte sich im Sattel um, aber in ihren kalten Augen spiegelte sich kein Erkennen.
Ravin erwachte in seinem Zelt am Alschhain schlecht gelaunt und mit einem dumpfen Gefühl der Trauer in der Brust. Wenn er morgen aufwachte, würde der letzte Tag anbrechen, an dem er Darian sah. Und Mel Amie, Ladro – und Amina.
In der Burg schlug ihnen die Aufbruchstimmung entgegen. Es war ein seltsamerer Anblick als der Markt in Dantar. Horjun sprachen mit Waldmenschen, Hauptleute ereiferten sich im Gespräch mit den Gesandten aus Tana. Jalakuchen wurden gebacken und als Reiseproviant noch warm in Beutel geschnürt. Der Duft von Räucherfleisch vermischte sich mit dem Fellgeruch der unzähligen Pferde. Verwundete humpelten über den Hof zu den Küchengemächern. Eine Gruppe von Waldleuten entdeckte Ravin und begrüßte ihn, woraufhin das Gewühl im Burghof für einen Moment zum Stillstand kam, weil jeder Ravin sehen wollte. Er errötete. Noch immer hatte er sich nicht daran gewöhnt, ein Held zu sein. Er ließ seinen Blick über die Menge schweifen, in der Hoffnung, vielleicht irgendwo Ladro oder die anderen zu sehen. Doch alles, was er entdeckte, war ein schlammscheckiges Pferd, das zum Teil mit den rauchgeschwärzten Mauern zu verschmelzen schien. Aminas Banty! Ravin kniff die Augen zusammen und stellte sich im Sattel auf. Doch Amina konnte er nirgends entdecken. Dafür sah er Mel Amie, die gerade dabei war, die Hufe des Horjun-Pferdes mit einer schwarzen Harzpaste einzufetten.
»He, Waldmensch Lagar!«, rief sie, als er zu ihr trat. Wie gut es tat, sie lachen zu sehen!
»Wie geht es unserem Hofzauberer?«, fragte sie.
»Er reitet mit euch nach Skaris«, antwortete er ohne Begeisterung.
Mel Amie stieß einen Pfiff aus.
»Na, das nenne ich eine gute Nachricht! Und was ist mit dir, Waldmensch Abenteurer?«
Er schluckte, denn plötzlich saß ein Kloß in seinem Hals.
»Nein«, sagte er schroffer, als es klingen sollte. »Ich kann nicht.«
Mel Amie sah enttäuscht aus, doch offensichtlich hatte sie diese Antwort erwartet.
»Ja, ich weiß, Ravin.«
»Ich habe Aminas Banty hier gesehen.«
»Und du hast gedacht, sie sei hier? Da muss ich dich enttäuschen. Das Banty gehört neuerdings zur Burg. Das hat sie mir gesagt, als sie heute Morgen mit Iril aus den Bergen zurückgekehrt ist.«
»Sie war mit Iril in den Bergen?«
Mel Amie grinste.
»Vergiss nicht, sie kommt aus dem
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