Im Bann des Fluchträgers
Feuernymphen wieder auf, doch sie waren schwach und blass und zeigten keinerlei Interesse daran, weitere Feuer zu entfachen, sondern zogen sich vor dem Regen in Höhlen und Nischen zurück. Mehrmals hatte Ravin Naja gerufen, aber auch sie war verschwunden. Am schlimmsten sah die Burg aus. Die Tore waren verkohlt – Naja hatte ganze Arbeit geleistet. Die Wände, die ehemals hell in allen Perlmuttfarben geschimmert hatten, waren verrußt, das kostbare Mobiliar zum größten Teil zerstört. Verwundete Horjun und Tjärgkrieger kampierten in den prächtigen Gästezimmern, einquartiert auf Geheiß der Königin. Sie war es auch, die Badoks Körper und die gefallenen Horjun in allen Ehren auf einem neu angelegten Friedhof begraben ließ, eine Geste der Versöhnung, die ihr bei den Horjun und deren Hauptleuten große Achtung eintrug.
Ravin bewunderte die Königin für ihr weitsichtiges Handeln. Tagelang saß sie mit ihren Räten und Badoks Hauptleuten zusammen, verhandelte, plante und schlichtete.
Ravin hatte sein Lager wieder gesehen. Seine Tante Dila hatte geweint, als sie ihn in die Arme schloss. Sosehr sich Ravin freute, es erschien ihm immer noch merkwürdig, überall als Held gefeiert zu werden. Auch Amina wurde verehrt und ebenso gefürchtet. Viele verbeugten sich sogar vor der Frau, die zugleich Woran und Mensch war.
Darian trat an Laios’ Grab und sprach die Totenworte. Seine Stimme klang leise, beinahe verlor sie sich im Rauschen der mächtigen Alschbäume. Als die letzte Strophe verklungen war, begannen die zwei ältesten Shanjaar das Grab zuzuschaufeln. Bei jeder Schaufel Erde, die ins Grab fiel, hob einer der Shanjaar die Hand zum letzten Abschied und seine Fackel erlosch. Darian wartete, bis alle Feuer bis auf seines verloschen waren, dann hob auch er die Hand. Seine Flamme wurde kleiner und kleiner, bis sie nur noch ein Glimmen war und mit einem Zischen erstarb. Nun warf lediglich Laios’ Fackel sein unruhiges Licht auf die ernsten Gesichter. Erst in diesem Augenblick trat auch die Königin an das Grab.
»Darian Danalonn!«, begann Atandros. »Wir kannten dich als unerfahrenen Suchenden, der seine Kraft noch nicht gefunden hatte. Doch aus einem ungeschickten Lehrling ist ein Zauberer geworden, den nicht nur Laios für würdig befand, unser Zeichen zu tragen. Mit Königin Gisae sind wir im Rat der Zauberer übereingekommen, dass du Laios’ Stelle bei Hof einnehmen sollst. Du hast noch viel zu lernen, gewiss, doch bist du einer von uns geworden. Und du wirst Laios ein guter Nachfolger sein.«
Darian war blass geworden. Höflich erwiderte er das Lächeln der Königin, dankte Atandros und legte seine verloschene Fackel nieder, um ehrfurchtsvoll die von Laios an sich zu nehmen. Doch Ravin bemerkte, dass seinen Freund etwas bedrückte.
Die Shanjaar verneigten sich und begannen damit, sich zurückzuziehen. Jeder legte einen Tannenzweig auf das Grab, bis Laios’ Ruhestätte davon bedeckt war und der Duft des würzigen Harzes den Hain erfüllte. Darian setzte sich neben das Grab.
Es ist bereits die zweite Totenwache, die er am Grab eines Menschen hält, den er liebt, dachte Ravin. Jolon stützte sich schwer auf seinen Arm, als er ihn zum Lagerzelt brachte, wo sein Bruder sich vor dem anstrengenden Ritt zur Burg ausruhen würde. Als sie es beinahe erreicht hatten, blieb Jolon stehen.
»Willst du nicht lieber zu Ladro und Amina gehen?«
Ravin sah ihn verständnislos an.
»Vor allem deinen Zorn auf Ladro solltest du begraben«, fuhr Jolon fort.
Ravin fühlte, wie Ärger und verletzter Stolz sich wieder in ihm regten.
»Du meinst, ich soll einfach vergessen, dass er mich belogen hat? Er wusste, dass du den Gor hattest. Und er
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