Im Bann des Fluchträgers
Gebirge. Iril sagt, sie haben die Spuren der Regenbogenpferde in der Nähe der Bergdörfer entdeckt. Irgendwann werden die Herden wieder ins Tal kommen. Wenn das …« – mit einer Geste fasste sie das verwüstete Land zusammen – »… wieder so ist, wie es war.«
»Und das Banty lässt sie hier?«
»Iril hat sie darum gebeten. Er will versuchen es mit Regenbogenpferden zu kreuzen. Kannst du dir das vorstellen? Ein Land, das Tjärgpferde hat, die man allerdings nie zu Gesicht bekommt!« Sie lachte und schüttelte den Kopf.
»Wo ist Amina jetzt?«
»Vielleicht in ihrem Quartier, vielleicht mit Ladro bei den Horjun. Du siehst sie heute Abend bei der Versammlung im Thronsaal. Sobald ich mit Linlans Hufen fertig bin, werde ich mich umziehen.« Sie zwinkerte ihm zu und klopfte dem Horjun-Pferd den Hals. »Ja, ich habe ihm einen Namen gegeben. Weißt du, was ein Linlan ist? Ein Kobold, der sich nur vor Wasser fürchtet.«
Trotz seiner Niedergeschlagenheit musste Ravin lachen.
Etwas getröstet machte er sich auf den Weg in die Burg. Von weitem sah er Hauptmann Ljann, der ihm knapp zunickte und weitereilte, und einmal begegnete ihm Iril, der sich ebenfalls nicht die Mühe machte, stehen zu bleiben. Nicht einmal Jolon hatte Zeit für ihn. Als Ravin über den Hinterhof ging, war er erleichtert wenigstens ein paar Feuernymphen zu entdecken.
»Naja?«, rief er. Die Nymphe wirbelte herum. Die anderen Nymphen kicherten und verloschen.
»Wo warst du?«, fragte er, erleichtert, dass er zumindest sie gefunden hatte. »Ich habe dich so oft gesucht!«
»Deine Rufe habe ich gehört«, erwiderte sie kühl. »Aber leider hatte einer dieser widerlichen Wassergeister mich erwischt. Ich habe zwei Tage gebraucht, bis ich wieder brennen konnte. Und dann will ich zu dir kommen – und sehe, dass deine Namida wieder da ist.«
»Amina? Aber sie ist nicht meine …«
»Sei still, Ravin«, sagte sie und hob ihren Flammenarm. Ihre Stimme zitterte. »Ich erkenne eine Namida, wo ich sie sehe! Leb wohl!«
Ein Funkenregen stob Ravin entgegen, dann war Naja verschwunden.
D
iener hatten im rauchgeschwärzten Thronsaal lange Tische aufgestellt. Kerzen und Fackeln brannten und brachen ihr Licht in den Spiegeln, die aufgehängt worden waren und in seltsam lichtem Kontrast zu den schwarzen Wänden standen. Die Shanjaar aus dem Wald waren ebenso vertreten wie die Räte aus den Waldlagern und die Botschafter aus Lom und anderen Ländern, die im Laufe des Tages eingetroffen waren. Am Tisch, der vor dem Thron aufgestellt worden war, saßen auf der einen Seite die Hauptleute der Königin, auf der anderen Seite die Horjun und deren Kommandanten. Ravin entdeckte Bor, seinen ehemaligen Hauptmann. Als Zeichen der Trauer waren viele der Plätze leer, Taniszweige lagen dort auf dem Tisch. An der Stirnseite der Tafel hatten Darian und Atandros Platz genommen. Links von ihnen setzten sich gerade Mel Amie und Ladro. Ravin grüßte in die Runde und ging zu Darian hinüber. Er hatte sich kaum hingesetzt, als auch schon Amina in den Saal kam. Ravin hielt unwillkürlich den Atem an, als er beobachtete, wie sie zu ihrem Platz zwischen Ladro und Mel Amie ging. Sie trug ein Festkleid im typischen Schnitt des Gislan-Hofes mit langen bestickten Ärmeln. Nachtblau wie Skiggas Becken leuchtete der glänzende Stoff. Im Haar trug sie eine silberne Spange in Form eines Sichelmondes. Immer noch lag der Woranschatten auf ihrem Gesicht. Die Narbe an ihrer Stirn hatte sie nicht unter dem Haar verborgen, sondern trug sie selbstbewusst zur Schau. Ihre Hände waren die dunklen Hände einer Woran, doch vor dem blauen Stoff waren selbst sie auf magische Weise schön. Als sie seinen Blick auffing, ging ein kurzes Leuchten über ihr Gesicht. Es sah so aus, als
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