Im Bann des Fluchträgers
Flusskiesel erinnerten, mit denen die Kinder im Tjärgwald das Mrumran-Spiel spielten. Ravin fröstelte, dennoch hielt er dem Blick stand. Jolon hatte ihm erzählt, dass es Magier gab, die ihre Jugend noch auf der alten Steinburg verbracht hatten. Vielleicht gehörte dieser hier zu ihnen.
Ein schmales Lächeln leuchtete auf dem Gesicht des Zauberers auf. Dann wandte er sich der Königin zu. Ravin atmete aus. Er fühlte sich benommen, als hätte ihn der Blick umfangen gehalten wie eine große Faust.
»Diese Männer hier«, sagte die Königin, »sind die Magier des Gislan-Kreises. Atandros!«
Der große Mann nickte.
»Jarog!«
Der breitgesichtige Zauberer schenkte Ravin ein kühles Lächeln.
»Und Laios.«
Laios nickte ebenfalls kurz und hustete.
»Dies«, wandte die Königin sich an die Zauberer, »ist Ravin va Lagar, Jolon va Lagars Bruder.« Ravin erkannte mit einem Anflug von Unbehagen, dass die Zauberer bereits wussten, wer er war. Er fühlte sich überrumpelt und schutzlos.
»Willkommen, Ravin va Lagar«, begann Atandros. »Erzähle uns, was dich zu uns führt.« Ungeduld schwang im Raum, Ravin dachte nach, um die Geschichte so kurz wie möglich darzulegen, dann erzählte er. Schweigend hörten sie ihm zu, keine Regung war in ihren Gesichtern zu sehen, was Ravin noch weiter verunsicherte. Die Pause, nachdem er geendet hatte, schien sich ins Unendliche zu dehnen. Schließlich räusperte sich Jarog. Zu Ravins Überraschung klang die Stimme des Zauberers sanft und hoch wie die einer Frau.
»Jolon hatte also einen Stein bei sich, als er aus dem Lager zurückkehrte.«
»Ja, er ist etwa so groß …«
Er zeichnete mit dem Zeigefinger ein Oval auf seine Handfläche. Atandros und Jarog wechselten einen Blick.
»Und wenn man den Stein von ihm entfernt, wird Jarog schwächer?«
Ravin nickte.
»Sein Herz schlägt langsamer und dann hört er auf zu atmen.«
Ravin schluckte nach diesen Worten, seine Stimme drohte zu versagen. Im selben Moment fühlte er wieder den tröstlichen Flügelschlag des unsichtbaren Falters an seiner Stirn. Die Königin lächelte ihm aufmunternd zu.
»Sag uns«, meinte Jarog, »wie sieht er genau aus, dieser Stein?«
Ravin biss sich auf die Unterlippe.
»Er ist durchsichtig und leuchtet in einem dunklen Rot. Wenn die Sonne darauf fällt, dreht sich etwas darin.«
Die Zauberer schwiegen, Ravin fühlte die lastende Stille auf seinem Herzen.
»Was dreht sich darin?«, fragte Atandros.
»Strahlen«, begann Ravin. »Eine dunkle Sonne, deren Strahlen die Haut desjenigen mit Eis versengen, der sie ins Licht hält. Wir konnten den Kristall nur mit einem Lederlappen berühren – lediglich Jolon trägt keine Erfrierungen davon, wenn der Stein seine Haut berührt.«
Die Zauberer blickten sich besorgt an. Ravins Erleichterung schmolz dahin. Er spürte, wie sein Mut sank.
Jarog räusperte sich.
»Nun«, begann er. »Wir kennen diese Art von Stein. Es erstaunt uns, dass dein Bruder einen solchen im Tjärgwald finden konnte.«
»Diese Art von Kristallen«, fuhr Jarog fort, »gibt es nur in den Steinbrüchen im Grenzland zu Tana. Sie heißen Gralle, sind äußerst selten und finden gemeinhin als Lichtbrecher für Ferngläser Verwendung. Vielleicht hat ein Reisender ihn verloren. Aber dass ein Grall solche Kräfte entfaltet, ist mir noch nie zu Ohren gekommen.«
Atandros hob die Hände.
»Ich habe dafür nur eine Erklärung.«
Ravins Herz machte einen Sprung.
»Es spielt keine Rolle, was für ein Stein es ist, er ist lediglich ein Träger. Ebenso gut könnte es ein Schmuckstück oder ein Jagdbogen sein. Dein Bruder, Ravin, hat einen Fluchträger berührt. Dafür sprechen Jolons Bewusstlosigkeit, die Entkräftung – und die Dämonen, von denen du träumst. Ich glaube nicht, dass der Fluch
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