Im Bann des Fluchträgers
sich dicht zusammen. Ravins Herz klopfte bis zum Hals. An seiner Seite konnte er spüren, wie Sella am ganzen Körper zitterte. Wieder erscholl das Horn, diesmal lauter und bedrohlich nahe. Kurz darauf hörten sie Pferdegetrappel und Stimmen. Dicht vor Ravins Nase stampfte ein Pferdehuf auf. Das messerscharf geschliffene Hufeisen zerschnitt mit einem Knirschen eine dicke Wurzel. Ravin hielt den Atem an.
»Wo sind sie hin?«, fragte eine näselnde Stimme.
»Da entlang, hier sind Spuren«, erwiderte eine tiefere. »Verdammtes Jerrik-Pack. Schaut euch diese Hufspuren an – das sind gespaltene Hufe! Reiten die jetzt auf Ziegen?«
»Ziegen oder nicht, wir werden sie finden!«
Zehn, vielleicht auch zwanzig Stimmen antworteten mit Gebrüll, dann stürmte die ganze Meute los. Der Boden bebte. Ravin spürte, dass das Blut aus seinem Gesicht gewichen war. Erst lange nachdem die Rufe und das Jagdhorn verklungen waren, wagten sie es, unter der Tanne hervorzulugen.
»Wer waren die?«, flüsterte Darian.
»Offensichtlich sind sie auf der Jagd nach – Jerriks.«
»Unsere Pferde können sie jedenfalls lange jagen«, sagte Darian und versuchte ein Lächeln, das missglückte. »Ich hoffe nur eines, dass Dondo und Vaju unser Gepäck nicht verlieren.«
Sellas Augen loderten. Darian wollte den Arm um sie legen, doch sie bemerkte die Geste nicht und zog sich unter die Tanne zurück. Als sie wieder hervorkam, hatte sie einen Lederbeutel in der Hand.
»Der gehört keinem von uns«, sagte Darian.
Sella zeigte auf sich und warf sich den Beutel über die Schulter.
Ravin begriff.
»Es ist Sellas Beutel. Irgendwo hier lebt vermutlich auch ihr Lager.«
Sella nickte.
»Und wenn ich mich nicht irre, gehört sie zu den Jerriks«, fuhr Ravin fort.
Sella machte eine ungeduldige bejahende Geste und gebot ihnen, ihr zu folgen. Sie schlug nicht den Weg zur Lichtung ein, sondern wandte sich der Himmelsrichtung zu, die tief in das Herz des Waldes wies.
Ravin klopfte die Tannennadeln von seinem Mantel. Ihm war alles lieber als in die Richtung zu laufen, in der die Reiter verschwunden waren. Der Wald war nun sehr still, ihre geflüsterten Worte schienen im Dunkel der Blätter aufgesaugt zu werden und verstummten dumpf ohne das Echo der Hallgespenster.
»Meinst du nicht, wir sollten zurückreiten und im Grenzgebiet bleiben?«, flüsterte Darian.
Ravin schwankte einen Moment zwischen Angst und Zuversicht, dann siegte die Zuversicht.
»Im Augenblick ist es das Sicherste, Sella zu folgen. Und vielleicht wissen die Jerriks, wo Skaardja sein könnte.«
»Überall und nirgends. Doch diese Reiter sind da und sehr wirklich!«
»Wir werden Skaardja finden.«
Darian seufzte, dann stahl sich langsam wieder das übermütige Lächeln in sein Gesicht.
»Vielleicht hast du Recht, Ravin. Skaardja ist nicht mehr im Grenzgebiet. Und wir wussten, dass die Reise gefährlich sein würde. Was erwarte ich eigentlich?« Er zwinkerte Ravin zu. »Wir finden sie – für Jolon!«
Ravin nickte.
»Und für Sella«, sagte er leise. »Du wirst sie für Sella finden.«
Darian sah ihn verdutzt an, dann begann er zu strahlen. »Ja«, sagte er. »Auch für Sella.«
I
n Sellas Beutel fanden sich Dinge wie Dörrfleisch und eine zusätzliche Wolldecke, die sie warm hielt, wenn sie sich nachts zusammengerollt wie Füchse gegenseitig wärmten. Unter den ausladenden Tannen duftete es nach Harz und sandiger Erde. Wenn Sella unruhig wurde, murmelte Darian einen mehr oder weniger gelungenen Nebelzauber und sie wanderten beinahe unsichtbar zwischen den dicken Stämmen.
Hallgespenster flüsterten und klagten überall, doch Ravin und Darian fiel es nicht schwer, zu schweigen. So lange waren sie bereits unterwegs, dass es
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