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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Ra­vin schi­en, als wä­re er selbst stumm ge­wor­den. Was ihn er­staun­te, war, dass er die Wor­te nicht ver­miss­te.
    Nach und nach wi­chen die Ta­ni­stan­nen klei­nen Ja­la­bäumen, die be­reits Früch­te tru­gen, bis auch sie schließ­lich sel­te­ner wur­den und der Wald in ein lich­te­res Grün über­ging. Zum ers­ten Mal seit vie­len Ta­gen ras­te­ten sie auf ei­ner Lich­tung, mach­ten Feu­er und rös­te­ten ei­ni­ge Stücke fri­scher Ja­lafrucht über den Flam­men. Ra­vin war nach den Ta­gen, an de­nen er nur Dörr­fleisch und Bee­ren ge­ges­sen hat­te, aus­ge­hun­gert. Er­schöpft lehn­te er an ei­nem brei­ten, moos­be­wach­se­nen Baum am Rand der Lich­tung und be­ob­ach­te­te die Glut. Sel­la hat­te sich be­reits vor ei­ner Stun­de et­was wei­ter ent­fernt zur Ru­he ge­legt und war so­fort ein­ge­schla­fen.
    Die Stim­men der Hall­ge­spens­ter ga­ben Ge­sprächs­fet­zen zum Bes­ten, die sich of­fen­bar um den Ver­kauf von Le­der dreh­ten. Ra­vin be­nei­de­te Sel­la um ih­re Fä­hig­keit, selbst bei größ­tem Lärm tief und un­er­schüt­ter­lich schla­fen zu kön­nen.
    »Weißt du«, be­gann Dari­an. »Ich fra­ge mich, was es mit die­sen Jer­riks auf sich hat.«
    Ra­vin gähn­te. Die un­ge­wohn­te Wär­me schlä­fer­te ihn ein.
    »Es sind Wald­men­schen, wie Sel­la.«
    »Ja schon, aber glaubst du, dass sie uns freund­lich ge­sinnt sind?«
    »Wie ich sag­te – es sind Wald­men­schen«, ant­wor­te­te Ra­vin und biss herz­haft in das saf­ti­ge Ja­lafleisch.
    In die­ser Nacht träum­te Ra­vin wie­der von der Kö­ni­gin. Im­mer noch stand sie im Thron­saal am Fens­ter. Er woll­te sie an­spre­chen, doch sie rea­gier­te nicht, stumm sah sie auf das ver­reg­ne­te Tal. Erst als er zu ihr trat, dreh­te sie sich um. Was er vor sich sah, war nicht das Ge­sicht der Kö­ni­gin. Es war ein al­tes Ge­sicht mit un­ru­hi­gen Au­gen. Skaard­ja, schoss es ihm durch den Kopf. »Du bist weit ge­reist«, sag­te die Frau zu ihm. »Doch fin­den wirst du mich nie­mals. Es sei denn, ich fin­de dich.« – »Du bist in Gis­lans Burg?«, frag­te er. Die Frau lach­te. »Nie und nim­mer!«
    Wäh­rend sie lach­te, ver­än­der­te sich ihr Ge­sicht, Haa­re spros­sen aus ih­rem Kinn, sie wuchs in die Hö­he – und plötz­lich stand Iril, der Stall- und Ross­meis­ter, vor ihm. »Denk dar­an«, sag­te er. »Nie­mand wird dir das Re­gen­bo­gen­pferd steh­len kön­nen.«
    Im Schlaf run­zel­te Ra­vin die Brau­en. Der Traum­fal­ter um­tanz­te sei­ne Schlä­fe, doch die Bil­der, die er sah, blie­ben un­durch­sich­tig und oh­ne Sinn. Im­mer noch war der Fal­ter da, um­flat­ter­te ihn hart­nä­ckig und wan­der­te hin­un­ter bis zu sei­ner Na­se. Es kit­zel­te. Ra­vin riss sich är­ger­lich aus sei­nen wir­ren Träu­men los, blin­zel­te – und blick­te auf ei­ne im Mond­licht blin­ken­de Schwert­spit­ze.
    »Hal­lo Jung­chen«, sag­te ei­ne dunkle Stim­me. Das Schwert wan­der­te in Rich­tung Keh­le und gab den Blick frei auf zwei stäm­mi­ge Bei­ne in Ho­sen aus ge­fleck­tem Fell. Mit ra­sen­dem Her­zen ließ Ra­vin sei­nen Blick vor­sich­tig nach oben wan­dern. Ein rie­sen­haf­ter Krie­ger mit grau­em Haar füll­te den Nacht­him­mel aus. Er dul­de­te es, dass Ra­vin sich lang­sam auf­rich­te­te – die Schwert­spit­ze folg­te sei­ner Keh­le wie ein wach­sa­mer Hund. Der Mond war hin­ter den Wol­ken her­vor­ge­kom­men. Aus den Au­gen­win­keln konn­te Ra­vin et­wa zwan­zig Men­schen er­ken­nen, die reg­los auf der Lich­tung stan­den. Er ver­such­te zu schlu­cken und et­was zu sa­gen, aber sein Mund war aus­ge­dörrt. Sei­ne Au­gen brann­ten, doch er wag­te nicht ein­mal zu zwin­kern. Plötz­lich lös­te sich ei­ne der Ge­stal­ten aus der Grup­pe. Es war ei­ne wild aus­se­hen­de jun­ge Frau.
    »Sel­la!«, rief sie mit ei­ner Stim­me, die Stein hät­te schnei­den kön­nen. »Sie ha­ben Sel­la um­ge­bracht!«
    Der Krie­ger fuhr her­um, nur das Schwert rühr­te sich nicht von der Stel­le. Ra­vin nutz­te die Ge­le­gen­heit und tas­te­te nach sei­ner Schleu­der. Er wuss­te, es wä­re sinn­los ge­we­sen, sich zu weh­ren, den­noch be­ru­hig­te es ihn, das Le­der zwi­schen sei­nen Fin­gern zu

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