Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
her­aus­lös­te.
    Die Nacht war un­na­tür­lich still. Selbst die Hall­ge­spens­ter hat­ten sich zu­rück­ge­zo­gen. Ra­vin zwang sich die Au­gen zu schlie­ßen. Wie in je­der Nacht schick­te er sei­ne Ge­dan­ken zu­rück nach Tjärg. Der Traum­fal­ter streif­te sei­ne Schlä­fe. Jo­lon saß beim Feu­er­schein, eng in sei­nen lan­gen Fell­man­tel gehüllt. Das Feu­er lo­der­te vor ei­nem schwarz­grau­en Him­mel. Rauch­schwa­den ver­dun­kel­ten den Mond. Die Dä­mo­nen heul­ten um das Feu­er, doch sie be­rühr­ten Jo­lon nicht. Jo­lons Au­gen wa­ren ge­schlos­sen, als träum­te er. Um sei­ne Stirn leuch­te­te ein schma­ler Reif aus Sil­ber, das floss und strahl­te und sei­ne Struk­tur ver­än­der­te wie Queck­sil­ber. Die Kö­ni­gin wacht über sei­ne Träu­me, dach­te Ra­vin be­ru­higt. Die Dä­mo­nen fauch­ten und wi­chen zu­rück, als der Ring aus Licht um sei­ne Stirn wie­der zu flie­ßen be­gann. Ein Dä­mon hob plötz­lich den Kopf, als hät­te er et­was ge­hört, sei­ne Pur­pu­rau­gen wand­ten sich Ra­vin zu. Wie bei den Hall­ge­spens­tern konn­te Ra­vin auch in sei­nem Ge­sicht mensch­li­che Zü­ge er­ken­nen. Die­ser Dä­mon war ein Mensch ge­we­sen, kaum äl­ter als Ra­vin!
    Ra­vin sprang aus sei­nem Traum, als wür­de er ein Zim­mer ver­las­sen und die Tür hin­ter sich zu­schla­gen. Er at­me­te hef­tig und fühl­te die Au­gen im­mer noch auf sich ge­rich­tet. Sein Herz ras­te, ne­ben sich hör­te er die Glut des La­ger­feu­ers lei­se knacken. Ob Hall­ge­spens­ter in der Nä­he wa­ren? Oder war es das Mäd­chen? Viel­leicht sitzt es da und be­ob­ach­tet mich, dach­te er und er­in­ner­te sich schau­dernd an sei­ne selt­sa­men Au­gen. Plötz­lich wuss­te er, was ihn so be­un­ru­hig­te: Das Mäd­chen sah aus wie ein Geist. Und sei­ne Au­gen gli­chen de­nen der Dä­mo­nen. Ra­vin schluck­te und schlug die Au­gen auf.
    Die Frem­de saß auf­recht ne­ben der Feu­er­stel­le und schau­te ihn an. Die Glut spie­gel­te sich in ih­ren Au­gen und tanz­te dort wie ei­ne Feu­ernym­phe. Ra­vin er­schi­en sie nun ganz und gar wahn­sin­nig, um­so mehr als ihr Ge­sicht und ihr Mund völ­lig re­gungs­los wa­ren und kein Ge­fühl ver­rie­ten –nur die­ser Blick! Ra­vin spür­te, wie er zit­ter­te.
    »Wer bist du?«, flüs­ter­te er.
    Sie sah ihn im­mer noch un­ver­wandt an, die tan­zen­den Dä­mo­nen­la­ter­nen in den Au­gen.
    »Bist du ein Dä­mon? Ge­hörst du zu ih­nen?«
    Ra­vin glaub­te so et­was wie Er­stau­nen in ih­rem Ge­sicht zu le­sen. Sie streck­te die Hand aus und nahm einen Holz­scheit, der an ei­nem En­de be­reits ver­kohlt war. Dann hol­te sie einen fla­chen Stein aus ih­rer Le­der­ta­sche. Hand­teller­groß und weiß war er. Mit ge­üb­ter Hand strich sie dar­über und be­gann mit dem Koh­le­stück ein Zei­chen dar­auf zu ma­len. Ra­vin wur­de in die­sem Mo­ment be­wusst, dass sie wirk­lich stumm sein muss­te. Of­fen­sicht­lich wa­ren Stein und Koh­le­stück ih­re Art, sich mit ih­rer Um­welt zu ver­stän­di­gen. Sie mal­te sehr ge­schickt, wie Ra­vin fand. Sei­ne Neu­gier ge­wann die Ober­hand und er beug­te sich nä­her zu ihr, um die Zeich­nung bes­ser er­ken­nen zu kön­nen.
    »Ei­ne Ca­nus­wei­de«, flüs­ter­te er.
    Sie nick­te.
    Mit we­ni­gen Stri­chen war es ihr ge­lun­gen, ein per­fek­tes Ab­bild des Bau­mes zu zeich­nen: den schlan­ken Stamm, der sich im Sturm bei­na­he bis zum Bo­den nei­gen konn­te oh­ne zu bre­chen, und die lan­gen peit­schen­för­mi­gen Zwei­ge mit den pfeil­för­mi­gen Blät­tern. Ra­vin war ver­blüfft. Das Mäd­chen zeig­te erst auf den Baum und dann auf sich.
    »Du heißt Ca­nus­wei­de?«
    Das Mäd­chen schüt­tel­te un­ge­dul­dig den Kopf und mal­te ne­ben den Baum ein Zei­chen. Ra­vin kann­te es. Das war ein Zei­chen der al­ten Wald­spra­che. Über­rascht sah er die Frem­de an. Sie war al­so doch ein Wald­mensch wie er. Und of­fen­sicht­lich war die al­te Spra­che ih­res La­gers die­sel­be, die er aus Tjärg kann­te. Auch in sei­nem La­ger gab es vie­le Men­schen, die sich Na­men aus der Ver­gan­gen­heit lie­hen.
    »Du bist nach der Ca­nus­wei­de be­nannt. In der Wald­spra­che?«
    Das Mäd­chen nick­te

Weitere Kostenlose Bücher